Renner & Kersting 02 - Mordswut
Lehrerzimmer serviert hatte, war er ihr gegenüber stets höflich und zuvorkommend, für seine Verhältnisse sogar hilfsbereit.
Sie lächelte ihn freundlich an. „Ich brauche mal wieder Ihre Hilfe. Ich muss an die Schülerakten. Die Telefonnummer eines Schülers stimmt nicht mehr, und im Telefonbuch wimmelt es nur so von Frenzels.«
Er nickte zustimmend. „Ein typischer Name. Na gut, Sie kennen ja die Schublade mit den Nachschlüsseln. Der für den Stahlschrank hängt an einem großen Ring mit gelben Anhänger, nicht zu verfehlen.«
„Danke! Vielen Dank!« Mit einem Winken lief sie ins Gebäude. Geschafft! Warum hatte sie sich Gedanken gemacht? Der Schlüssel war schnell gefunden, der Stahlschrank ebenso schnell geöffnet. Jetzt brauchte sie nur noch nach Panowitsch zu suchen. Das dauerte allerdings geraume Zeit. Hoffentlich kam der Hausmeister nicht auf die Idee nachzuschauen, weshalb sie so lange brauchte. Langsam breitete sich Nervosität in ihr aus. Die ersten beiden Klassen hatte sie bereits durchgesehen. Jetzt kamen die dritten an die Reihe. Vorsichtshalber warf sie einen Blick aus dem Fenster und sah den Hausmeister in angeregtem Gespräch mit Ali, wie sie den ausholenden Handbewegungen entnahm. Gut, dass Ali so verlässlich war. In der 3c wurde sie fündig. Der Akte war jedoch nicht viel zu entnehmen. Sie enthielt noch die alte Anschrift. Klassenlehrerin war Angela Steinhofer. Mit ihr verstand Helga sich ziemlich gut. Die konnte sie problemlos nach dem Jungen fragen. Schnell verschloss sie den Schrank wieder und brachte den Schlüssel zurück. Da sie nun einmal hier war, dachte sie, könnte sie auch im Klassenbuch nach den Fehltagen des Jungen sehen, falls Angela ihr Klassenbuch gewissenhaft führte. Gedacht, getan. Angelas Klasse war pieksauber aufgeräumt. In der Schublade des Pults lag das Buch. Jan Panowitsch fehlte bereits seit einer Woche. Sie suchte nach den Entschuldigungen und fand sie in einer anderen Schublade. Aber keine von Jan. Mehr gab es in der Schule nicht zu erfahren. Sie ging hinaus, winkte dem Hausmeister, der sich noch immer mit Ali unterhielt, dankend zu und stieg ins Auto. Kurze Zeit später tauchte die Freundin auf.
„Ich dachte mir, es wäre nicht schlecht, den Kerl ein wenig abzulenken. Mir kam die Zeit ziemlich lang vor.«
„Das war genau die richtige Idee. Ich danke dir. Leider habe ich nicht viel gefunden. Der Junge heißt Jan, geht in die 3c zur Steinhofer und fehlt seit einer Woche.«
„Seltsam, findest du nicht? Das alles ist ungefähr zum gleichen Zeitpunkt passiert: der Krach mit dem Mann, der Zorn auf Kowenius, der plötzliche Umzug und Jans Fehlen seit einer Woche. Möchte wissen, was da los ist.«
„Ich auch. Hm, die Panowitsch kennt natürlich die Lehrerin ihres Sohnes. Ich kann da schlecht auftauchen.«
„Warum nicht? Sag einfach, du hättest in der Gegend zu tun und die Steinhofer hätte dich gebeten, mal vorbei zu schauen und nach Jan zu fragen.«
„Geht doch nicht. In der Schule weiß niemand von dem Umzug.«
„Hm, ja, was machen wir da? Seid ihr euch mal begegnet? Ich meine, wenn wir vor dem Haus warten und du sie zufällig triffst? Ginge das?«
„Eher nicht. Falls sie häufiger in der Schule war, erkenne ich sie vielleicht, aber sonst ... nein, nichts zu machen.«
„Verflixt! Fahr erst mal nach Eilpe. Bis wir da sind, wird uns schon irgendetwas eingefallen sein.«
Eilpe war noch immer geprägt vom Flair der Industrie-und Arbeiterkultur. Helga gefielen die Mietskasernen entlang der Straße nicht, Ali verteidigte sie. „Eins solltest du wissen, kein Eilper fühlt sich als Hagener. Wir sind von Eilpe, wir spucken links, sagte meine Oma früher. Ich hab keine Ahnung, was der Spruch bedeutet.« Ali lachte.
Als sie am Tor 2 vorbeikamen, wussten sie immer noch nicht, wie sie die Panowitsch unauffällig ausfragen konnten. „Halt vor der Wippermann Passage«, riet Helgas Mitstreiterin. „Dort gibt es ein Café, in dem wir in Ruhe überlegen können.« Helga trat auf die Bremse. Das Café Schäfer war um diese Zeit ziemlich leer. Ali steuerte gleich auf das schwarze Ledersofa an der Wand zu, während ihre Freundin sich umschaute. Die Kuchen auf der Theke wirkten verlockend, und natürlich konnten beide nicht widerstehen. Durch das große Fenster starrten sie auf den dicht dahinfließenden Verkehr, tranken bereits das zweite Kännchen Kaffee und wälzten unbrauchbare Ideen.
„Das gibt es doch nicht, dass uns nichts einfällt! Jetzt überleg mal,
Weitere Kostenlose Bücher