Renner & Kersting 02 - Mordswut
mitgenommen. Und im Übrigen finde ich es eine Unverschämtheit, dass mein Name und meine Telefonnummer weitergegeben wurden. Das werde ich den Damen auch sagen.« Wumm! Ende des Gesprächs.
Die Frau war unzweifelhaft sauer, aber wohl eher auf die Helferinnen, beziehungsweise Ali, die offensichtlich gestört hatte.
Ali wählte die nächste Nummer. Sie gehörte zu einem Handy. „Panowitsch!«
Dieses Mal gab sie sich zögernder, höflicher und hilfloser. Vielleicht war sie eben doch etwas zu forsch vorgegangen. „Ja, also«, sie hielt inne, begann von vorn. „Sie kennen mich nicht. Mein Name ist«, wieder stockte sie. Sollte sie nicht vielleicht doch besser einen falschen Namen wählen? Ihr eigener war in der Umgebung ziemlich bekannt. „Mein Name ist Schulz.« Das war schön unverfänglich. „Wir waren beide am 2. Oktober in der Praxis von Doktor Kowenius.« Sie wartete auf eine Reaktion. Keine. „Könnte es sein, dass Sie aus Versehen einen falschen Schal mitgenommen haben? Ich vermisse meinen seit dem Besuch, und die Helferinnen meinten, dass vielleicht eine andere Patientin ...« Sie hob die Stimme zur Frage und wartete gespannt.
„Nein! Ich habe Ihren Schal ganz sicher nicht.«
Bevor sie auflegen konnte, rief Ali schnell dazwischen: „Es tut mir Leid, wenn ich Sie gestört habe, aber bei dem Schal handelt es sich um ein Geschenk meiner Tochter. Sie hat ihn selbst bemalt. Sie verstehen sicher, dass ich ihn gern zurück hätte. Also entschuldigen Sie bitte die Störung. Vielleicht treffen wir uns ja mal wieder in der Praxis?« Wieder ließ sie eine leise Frage anklingen.
„Nein, ganz sicher nicht.« Und damit wurde aufgelegt.
Ali ließ sich beide Gespräche durch den Kopf gehen. Der letzte Satz der Panowitsch gab ihr zu denken. Normal wäre gewesen, wenn sie Kowenius’ Tod erwähnt hätte. Oder gefragt, ob sie, Ali, in Zukunft zum Bergedorf gehen würde. Aber das hatte sie nicht getan, sondern jeden weiteren Besuch in der Praxis kategorisch ausgeschlossen. Die Wahrscheinlichkeit sprach also für die Panowitsch. Jetzt mussten sie nur noch herausfinden, warum diese so schlecht auf Kowenius zu sprechen war und ob dieser Grund als Mordmotiv ausreichte. Nur noch, dachte Ali spöttisch. Wie sollte sie sich einer unbekannten Frau nähern, die so abweisend war? Da musste Helga sich etwas einfallen lassen. Früher hätte sie solche Kleinigkeiten selbst erledigt. Sie war nie zögerlich gewesen. Bisher hatte sie sich aber auch immer sicher gefühlt, geborgen im Schoß der Familie, mit dem Geld ihres Mannes im Rücken. So viele Probleme hatte sie für andere gelöst, eigene dagegen kannte sie kaum. Bis heute war ihr Leben fast sorgenfrei verlaufen. Und nun passierte ihr genau das, was sie für unmöglich gehalten hatte. Wenn eine Ehe aufgelöst wird, so hatte sie stets geglaubt, sind beide Teile schuldig. Sie hielt es für ausgeschlossen, dass ein Partner allein eine funktionierende Beziehung zerstören konnte, es sei denn, er oder sie besäße einen miesen Charakter. Einen miesen Charakter wollte sie sich nicht zugestehen. Die Gefühle, genauer das Nichtvorhandensein von Gefühlen, hatte sie überwältigt und matt gesetzt. Aber nicht schachmatt, dachte sie triumphierend. Noch funktionierte ihr Verstand. Und der würde das Rätsel um Kowenius’ Tod lösen.
Sie schaute auf die Uhr, dann auf ihren Notizzettel. Mit etwas Mühe vermochte sie die Straße zu entziffern, in der die Panowitsch wohnte. Ali schaute in den Stadtplan. Eine kleine Sackgasse in der Nähe der Innenstadt. Klar, die meisten Patienten wohnten in der Gegend. Nichts wie hin. Falls ihr unterwegs kein vernünftiger Grund einfiel, die Frau aufzusuchen, wollte sie sich wenigstens einen ersten Eindruck über die Umgebung verschaffen.
Nummer 5 entpuppte sich als Mehrfamilienhaus aus den fünfziger Jahren mit acht Parteien. Den Namen Panowitsch suchte sie allerdings vergeblich auf den Klingelschildern. Falls nur der Name ihres Lebensgefährten dort stand, würde es schwierig. Als eine junge Frau das Haus verließ, sprach Ali sie an und fragte nach Panowitsch.
„Panowitsch? Warten Sie mal, den Namen habe ich schon gehört. Wissen Sie, ich wohne noch nicht so lange hier, da kennt man nicht alle Namen. Ich glaube, das sind die, die am Samstag ausgezogen sind. Erst ist der Mann weg, ja und wahrscheinlich konnte die Frau allein die Wohnung nicht mehr bezahlen, wie das eben so ist. – Wo die jetzt wohnt? Keine Ahnung. Aber Sie können ja mal Johns
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