Renner & Kersting 03 - Mordsgier
»Schließlich kannte ich beide Täterinnen. Und beide haben nicht aus niederen Beweggründen getötet.« Ihre Freundschaft mit einem Polizisten wollte sie vorläufig lieber unerwähnt lassen.
»Die Polizei war doch sicher schon hier. Was haben die denn gesagt?«
»Das Gift befand sich in seiner Kaffeemischung, und damit sind wir alle verdächtig. Wobei mir einfällt, was hatten Sie eigentlich am Montagmorgen schon so früh in der Schule zu tun? Sie fangen montags doch erst zur vierten Stunde an?« Die Meeren blickte fragend und auch misstrauisch, wie Helga zu erkennen glaubte, zu Thode.
»Haben wir die Inquisition wieder eingeführt? Ich musste dringend ein paar Bücher in die Stadtbücherei zurückbringen, die ich hier vergessen hatte. Das wollte ich vor meinem Unterricht erledigen. Zufrieden?«
Bevor das Schweigen drückend wurde, mischte Elli sich ein. »Sie sprachen eben von einer Kaffeemischung. Was meinten Sie damit?« Sie wusste noch gar nichts. Helga war neugierig, ob die Kollegen heute auch so wenig sagen würden wie in Gegenwart der Polizei, denn das würde bedeuten, dass das Verhältnis untereinander längst nicht so gut war, wie sie es gegenüber Klaus behauptet hatten.
»Seine ganz spezielle Mischung nach einem mexikanischen Rezept. Die dazu passenden Tassen besaß er auch.« Helga waren die leicht bauchigen Pötte aus dunkelbrauner Keramik schon aufgefallen. Sie ähnelten jenen Töpferwaren, die in Mexiko an allen Straßenecken angeboten wurden.
»Haben Sie denn nicht darüber gesprochen, wie er auf den doch recht seltsamen Geschmack gekommen ist und was sein Kaffee so alles enthielt?«, fragte Helga unschuldsvoll.
»Mit dem konnte man doch nicht reden!« Thode war eindeutig sauer auf Wohlfang. »Der benahm sich, als hätte er hier das Hausrecht. Seine Aufsichten nahm er nur wahr, wenn er gerade Lust dazu hatte, ebenso die Eintragungen ins Klassenbuch. Seine Begründung für manche Zensuren war abenteuerlich.« Es klang, als sei er froh, endlich mal etwas loswerden zu können. Helga nahm sich vor, ihm häufiger Gelegenheit dazu zu geben, jetzt unterbrach die Meeren seine Tirade. »Thode, du alter Schwätzer, nun übertreib’ mal nicht. Was sollen unsere Gäste von unserem Kollegium denken?«
»Schwarze Schafe gibt es überall.« Helga blickte Thode auffordernd an. Doch den hatte seine plötzliche Auskunftsfreude schon wieder verlassen.
»Die Polizei wird sicher herausfinden, wer ein Motiv hat. Wenn ich daran denke, wie oft die damals bei uns aufgetaucht sind.« Elli seufzte. Helga schien es, als wäre Thode leicht zusammengezuckt.
»Reden wir von etwas Angenehmem«, sagte sie. »Besitzt jemand Erfahrung im Kochen von Grünkohl? Normalerweise nehme ich immer den aus der Kühltruhe, aber jetzt habe ich von einer Freundin frischen geschenkt bekommen. Sie hatte noch welchen im Garten. Ich hätte nie gedacht, dass ein Garten auch im Januar noch zu etwas nütze ist.«
Nach langem Drängen hatte Kersting ihr gestern Abend noch verraten, dass es sich bei dem Gift um das alte Pflanzenschutzmittel E 605 handelte. Dann, als habe er schon viel zu viel verraten, mauerte er und sagte kein Wort mehr zum Fall. Im Gegenteil, er erinnerte sie an ihr Versprechen, sich ja nicht einzumischen. Im ersten Moment, als sie die Sorge und Zärtlichkeit in seiner Stimme hörte, war sie gerührt und überlegte ernsthaft, ihre Ali gegebene Zusage zu widerrufen, als er jedoch fortfuhr und ihr Gefahren aufzeigte, die, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, nur in seiner Phantasie existierten, brach ihr Trotz aus und zermalmte einem Panzer gleich die leichten Regungen ihres Gewissens.
»Grünkohl schmeckt erst, wenn er gefroren ist.«
»Da spricht jemand mit Erfahrung. Besitzen Sie etwa auch einen Garten?«, fragte Helga die Meeren.
»Oh ja, für mich gibt es im Sommer nichts Wohlschmeckenderes als das eigene frische Gemüse.«
»Und Sie Herr Thode, sind Sie auch Gartenliebhaber?«
»In Grenzen.« Hieß das nun ja oder nein? Bevor sie nachhaken konnte, schellte es. Jeder griff nach seinen Sachen und verschwand.
»Was sollte das denn?« Ellis Misstrauen war unüberhörbar. »Du hast doch nicht zufällig nach einem Garten gefragt?«
Helga klärte die Kollegin auf. Sie wusste, dass sie sich auf deren Schweigen verlassen konnte. Elli nickte zustimmend. »Prima! Das würde mich freuen, wenn die Damen und Herren Studienräte auch einen faulen Apfel im Korb hätten. Ich meine, einige sind ja ganz nett, aber diesen Kotzbrocken
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