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Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Titel: Renner & Kersting 03 - Mordsgier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
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dass der eine oft aussprach, was der andere dachte. Manchmal empfand Helga sie beide wie ein altes Ehepaar, was sie traurig stimmte. Es war jedoch nicht die Heirat, die ihr fehlte, sondern das Gefühl der Sicherheit. Sie wusste, dass er sich immer noch ein Kind wünschte, wofür sie sich zu alt fühlte. Einmal hatte er sie während ihrer Beziehung betrogen, wahrscheinlich aus genau dem Grund. Sie hatten nie offen darüber gesprochen, doch er wusste, dass sie wusste, und das genügte ihr. Ebenso wie beiden, ohne es ausgesprochen zu haben, klar war, dass Helga einen zweiten Vertrauensbruch nicht tolerieren würde. Für sie gehörten zur Liebe auch Treue und gegenseitiger Respekt. Sie war nicht bereit, vor einem Mann zu Kreuze zu kriechen und gegen ihre Überzeugung zu handeln, nur um ihn zu halten. Sie konnte nie sicher sein, ob er nicht doch eines Tages eine Jüngere, die ihm ein Kind gebar, vorziehen würde. Andererseits bestünde diese Gefahr genauso, wenn sie verheiratet wären oder ein gemeinsames Kind besäßen. Nur jetzt, ohne Trauschein, war die Unsicherheit intensiver, irgendwie greifbarer. Wenn er sie ansah, mit diesem nachdenklichen Blick, der anzeigte, dass er in Gedanken ganz woanders war, dann spürte sie die Angst, eines Tages verlassen zu werden.
    »Möchtest du erst einen Tee oder lieber gleich einen Wein?«
    »Wein bitte und irgendetwas zu essen. Ich hab’ im Büro Unmengen Kaffee getrunken, während das Essen mal wieder zu kurz kam.«
    Das hieß, er würde über Nacht bleiben. Wenn er Alkohol getrunken hatte, fuhr er nicht mehr, da war er eisern. Ein tiefes Glücksgefühl erfüllte Helga.
    Sie schaute, was der Kühlschrank hergab: Schinken, Ananas und Käse. Dazu passte ein trockener Riesling. Heute musste es einmal ohne Salat gehen, denn zum Einkaufen hatte sie nach der Schule keine Lust mehr gehabt und beschlossen, morgen früh den Markt zu besuchen. Mit hinter dem Kopf verschränkten Händen sah er ihr zu. Es verwunderte ihn immer wieder, welch beruhigende Wirkung ihr Hantieren auf ihn hatte. Obwohl sie sich schnell und sicher bewegte, vermittelte sie den Eindruck, als sei ihr jede Bewegung bewusst. Eine heitere Ruhe umgab sie, was durchaus nicht immer der Fall war. Gestresst vom Vormittag hatte sie ihn am Telefon auch schon ziemlich harsch angefahren. Durch sie erhielt er eine ganz andere Sicht von Schule und Erziehung. Oft hatten sie ihre Erfahrungen verglichen, und ein-oder zweimal feststellen müssen, dass sie, ohne zunächst Namen zu nennen, von der gleichen Familie sprachen. Wenn Helga erfuhr, dass Papa jetzt im Gefängnis wohnt, fragte sie schon mal bei Klaus nach. Früher hatte sie geglaubt, abgebrüht zu sein und nicht mehr überrascht werden zu können, aber was Klaus zu berichten wusste, übertraf häufig ihre Befürchtungen. Nein, Chancengleichheit gab es nicht, egal wie sehr die Lehrer sich bemühten, gleichgültig, was die Politiker erzählten.
    Sie schob den Hawaiitoast in den Backofen und schaltete die Oberhitze ein. Dann holte sie eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank und einen Korkenzieher aus der Schublade und reichte beides weiter. Während Klaus sich mit der Flasche abmühte, schaffte sie Gläser und Besteck herbei. Dann setzte sie sich zu ihm. Ein gefülltes Glas vor sich, genossen sie das einvernehmliche Schweigen.
    »Kannst du mir einen Gefallen tun?«, fragte Klaus, als Helga gerade einen kritischen Blick in den Backofen warf. Noch ein paar Minuten, beschloss sie. Der Käse war noch nicht genügend verlaufen.
    »Hm, worum geht’s?«
    »Ich hab’ dir doch von Käthe erzählt, unserer alten Haushälterin, das heißt, der Haushälterin meines Erzeugers.« Er verstummte. Sie wusste um sein kompliziertes Verhältnis zu seinem Vater. Und sie hatte auch Käthe einmal kurz getroffen, damals, als der alte Herr eine Frau heiratete, die jünger als sein Sohn war und Klaus sie zwecks moralischer Unterstützung zur Feier mitgenommen hatte.
    »Er hat ihr gekündigt, und ich hab’ eine Wohnung für sie besorgt. Nur ... sie hat zeitlebens in ihrem möblierten Zimmer im Souterrain gewohnt und besitzt keine eigenen Möbel.« Es fiel ihm schwer, von seiner Familie oder seinem Elternhaus zu sprechen. Seit der Heirat gebrauchte er das Wort Vater gar nicht mehr.
    »Warum?«, fiel Helga ihm ins Wort. »Ich meine, euer Haus ist riesig groß. Da muss doch wohl Platz für eine Frau sein, die ihr ganzes Leben dort verbracht hat. So viele Zimmer kann eine Ehefrau gar nicht in Anspruch nehmen.

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