Renner & Kersting 03 - Mordsgier
Wohlfang verliebt. Was hatte sie mit diesem Kerl zu tun?
Ali seufzte aus tiefstem Herzen. »Ich beneide Sie, Sie und Ihre Freundin, Herr ... Herr ...?«
»Loden, Johannes Loden.« Im Sitzen deutete er eine Verbeugung an. Fairerweise musste sie sich nun auch vorstellen. Nachdem beide noch einen Kaffee bestellt hatten, gab Ali Appetit auf ein weiteres Stück Torte vor, um sich unauffällig das Telefonbuch anzuschauen, das vorn in einem Fach unter der Kasse lag. Der etwas altmodische Apparat hing daneben an der Wand. Sie schielte zur Seite. Von seinem Platz aus konnte er ihr Tun nicht bemerken. Gut so! Hastig suchte sie nach seinem Namen und fand ihn samt Adresse. Wunderbar! Dann brauchte sie nicht länger hinter ihm herzulaufen.
13
Helga hatte sich am Nachmittag im Internet über E 605 informiert. Dabei waren ihr Kleinigkeiten aus dem Lehrerzimmer eingefallen, die sie vorher nicht beachtet hatte. Ob es dem Mörder zu verdanken war, dass die Leuchtstoffröhre über der Küchenzeile nicht mehr funktionierte? Und ob er wohl auch Wohlfangs mexikanische Kaffeepötte kannte? Deren dunkle Glasur half schließlich mit, eine mögliche Schattierung des Kaffees zu verbergen, denn E 605 besaß eine tiefblaue Farbe.
Am Abend kam Klaus zu ihr. Wie üblich hatte er kurz vorher angerufen, schließlich gab es auch ein Leben ohne ihn mit Freundinnen, Sport und Theater. Da er berufsbedingt Verabredungen häufig absagen musste, durfte er nicht übellaunig sein, wenn Helga etwas ohne ihn plante. Auf dieser Basis kamen sie gut miteinander zurecht. Er wusste, dass er bei ihr an erster Stelle stand und umgekehrt galt das Gleiche. An diesem Freitagabend verzichtete Helga sogar auf ihr geliebtes Aikido-Training, um Zeit für ihn zu haben. Im hintersten Winkel ihres Bewusstseins gestand sie sich ein, dass dabei wohl auch die Neugier auf Fortschritte im Fall Wohlfang eine Rolle spielte. Während sie noch überlegte, ob sie Teewasser aufsetzen oder lieber eine Flasche Wein entkorken sollte, klingelte es. Er hielt ein Bund Tulpen in der Hand. Nichts Besonderes, aber ein Zeichen, dass er an sie gedacht hatte. Sie liebte Blumen zu Beginn des Wochenendes. Während er ihr den Strauß überreichte, blickte er sie mit diesem ganz besonderen Glitzern in den Augen an. »Ich liebe deine zerzausten Haare«, flüsterte er, beugte sich vor und knabberte an ihrem Ohr. Inzwischen kannte er sie und die Reaktionen ihres Körpers genau. Ein wohliges Schauern überkam sie, und selig kuschelte sie sich in seine Arme. Mit dem Fuß versuchte sie vergeblich, die Wohnungstür zuzuschieben. Wenn jetzt die olle Meier, ihre Nachbarin vorbeikam, würde die garantiert klingeln und sie auf die einen Spalt offen stehende Tür aufmerksam machen. Manchmal hasste Helga ihre pragmatische Ader. Schnell entwand sie sich ihm, schloss die Tür und zog ihn in die Küche. Doch da war der so vielversprechende Augenblick vorbei. Er setzte sich an seinen Stammplatz, sie holte eine Vase. Aufmerksam sah er sich um. »Nanu, kein Stövchen, kein Tee, keine Plätzchen. Was ist los?«
Sie stöhnte. »Ich hab’ den ganzen Nachmittag am Schreibtisch gesessen und Bücher gewälzt über Didaktik und Methodik des Sportunterrichts. Ein Fach, von dem ich keine Ahnung habe, und die Sportkolleginnen können nicht kommen, weil der Weg durch die Stadt einfach zu lange dauert. Schließlich kann ich die Kinder nicht immer nur Fußball spielen lassen.«
»Du machst doch Aikido«, meinte er, worauf Helga ihn mit übertriebenem Augenaufschlag mitleidig musterte. »Das kann man nun wirklich nicht vergleichen. Aber bitte, eigentlich möchte ich von Schule nichts mehr hören. Erzähl’ lieber von dir. Wie war dein Tag?«
»Nicht so erfolgreich. Ziemlich langweilig. Papierkram und Verhöre im Büro.« Zum ersten Mal seit langer Zeit wich er ihr aus. Fürchtete er ihre Anteilnahme oder eher ihre Einmischung?
Spielerisch drohte sie mit dem Finger. »Sag’ es mir lieber genau. Du willst doch nicht, dass ich im Lehrerzimmer nachfrage, was die Polizei denn alles so wissen will, oder?«
»Das ist Erpressung eines Polizeibeamten.«
»Und gibt mindestens eine Nacht Arrest, fragt sich nur, bei wem?« Sie lachte voller Vorfreude, und er strich zärtlich über die Fältchen in den Augenwinkeln, die dabei sichtbar wurden. Sie sah seine angespannten Gesichtsmuskeln, durchschaute die Mühe, die hinter seiner Leichtigkeit steckte und schloss auf einen harten Arbeitstag. Inzwischen kannten sie einander so gut,
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