Renner & Kersting 03 - Mordsgier
Erfahrung, um zu wissen, was sie wollte. Und obwohl sie seine Annäherungen nicht wünschte, dachte er über Viagra nach. Sie könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre. Dass die Zils ihm angeboten hatte, sie anzurufen, war vielleicht etwas zu entgegenkommend gewesen. Aber Ali wusste nicht, in welcher Situation es geschehen war. Und dass sie ab und zu mit dem Mann ausging? Nun, Ali fielen auf Anhieb zwei Gründe ein: Vielleicht genoss sie einfach nur seine altväterliche Höflichkeit und seinen Charme, vielleicht wollte sie Wohlfang eifersüchtig machen. Mitleid verdienten wohl beide nicht.
»Ich habe vieles für sie getan, was sie nicht weiß. Schließlich besitze ich einigen Einfluss in dieser Stadt.« Er schwieg. Seiner gerunzelten Stirn nach zu urteilen, überlegte er, was und wie viel er erzählen sollte.
»Oh bitte, ich bewundere Menschen, die so viel Autorität besitzen, dass sie ihre Wünsche nur zu äußern brauchen.«
»Nun ja, Ihnen kann ich es ja sagen. Ihre berufliche Karriere verdankt sie mir. Ich habe dafür gesorgt, dass ihr die Filiale anvertraut wurde. Und ich habe auch ...« Wieder verstummte er. Wieder blickte Ali ihn auffordernd und bewundernd zugleich an.
»Ich wünschte nur, mein Mann würde sich einmal so um mich bemühen. Ich beneide Ihre Freundin.« Innerlich verschluckte sie sich fast an der Lüge. Aber dieses Mal sprach er nicht weiter. Noch ein kurzes Geplänkel, bestehend aus Plattheiten und Attitüden, dann verabschiedete er sich.
17
Punkt fünfzehn Uhr fuhr Helga an der Bushaltestelle vor, die sich nur wenige Meter neben dem Haus des alten Kersting befand. Käthe stand noch nicht da. Auf der Hochzeitsfeier des alten Herrn hatten sie einander zum ersten und bisher einzigen Mal getroffen. Damals hatte die Haushälterin Helga angeboten, sie ebenfalls Käthe zu nennen. »Wissen Sie, ich bin das so gewohnt. Wenn jemand Frau Jennings sagt, fühle ich mich gar nicht angesprochen. Sie sind so freundlich und scheinen gut zu Klaus zu passen.« Sie verstummte einen Moment. »Deshalb möchte ich, dass Sie mich genauso nennen wie er«, schloss sie abrupt. Helga tat es gern, denn ihr gefiel die alte Dame. Obwohl sie vom Verhalten ihres Arbeitgebers enttäuscht sein musste, sagte sie in ihrer, Helgas, Gegenwart kein böses Wort über ihn. Dass ihr seine Heirat und ganz besonders die junge Frau missfielen, merkte man nur daran, dass sie beiden während der Feier geflissentlich aus dem Weg ging. Den größten Teil des Abends hielt sie sich in Klaus’ und Helgas Nähe auf. Als die beiden sich verabschiedeten, so früh der Anstand es ermöglichte, ging sie mit. Trotz ihres Alters, sie musste mittlerweile sieben-oder achtundsechzig sein, wirkte sie fit. Ihre schlanke, fast hagere Gestalt passte irgendwie nicht zum rundlichen Gesicht. Das elegante, dunkelblaue Kleid, die grauen Löckchen und eine Spur von Lippenstift vermittelten das Bild einer gepflegten älteren Dame. So sah Helga sie in ihrer Erinnerung.
Sie brauchte nicht lange zu warten bis Käthe mit langen Schritten herbeieilte. »Tut mir leid«, stieß sie außer Atem hervor, als sie etwas unbeholfen einstieg und nach dem Sicherheitsgurt suchte. »Aber dieses junge Ding, was sie jetzt als Hilfe angestellt haben, wollte doch tatsächlich, dass ich ihr bei den Gardinen helfe. Sie meinte, solange ich noch dort wohne, habe ich für Kost und Logis mit Arbeitsleistung zu zahlen. Kost und Logis, ha. Kost will ich nicht von denen und für das Logis gibt es eine Kündigungsfrist, die auch der Herr Professor einhalten muss. Unverschämtheit! Als sie dann die junge Frau zu Hilfe holte«, ein vergnügtes Lächeln erhellte ihr Gesicht, »bin ich abgehauen. Sollen die beiden sehen, wie sie die Gardinen herunterbekommen. Ich habe früher auch alles allein geschafft.«
Der kurze Ausbruch von Galgenhumor brach abrupt ab. Als Helga einen schnellen Blick zur Seite warf, bemerkte sie, wie Resignation Käthes Mundwinkel nach unten zog. Die dunklen Ringe unter den geröteten Augen zeugten von Schlaflosigkeit. Es ging der alten Frau nahe, das Haus verlassen zu müssen, das für sie dreißig Jahre Heimat gewesen war.
»Wir werden ein paar wunderschöne Möbel aussuchen«, versuchte Helga sie aufzumuntern. »Klaus möchte sie Ihnen gern schenken.«
Käthe schüttelte den Kopf. »Ich habe genug Geld gespart. Er soll nicht versuchen, etwas gutzumachen, das nicht gutzumachen ist.«
Helga schüttelte heftig den Kopf. »Aber nein, darum geht es doch gar
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