Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Renner & Kersting 03 - Mordsgier

Titel: Renner & Kersting 03 - Mordsgier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angelika Schroeder
Vom Netzwerk:
tut es, was die Mutter erwartet. Genauso wie in diesem Fall, in dem offensichtlich bestimmte Ergebnisse verlangt wurden. Obwohl von der Lehrerin bedrängt, mochte die Kleine ihre Mama nicht verpetzen. Die Nachbarin kam ihr zu Hilfe. »Heute Morgen auf dem Schulhof, da hast du den Niklas angeschrieen.«
    »Das stimmt!«, riefen einige. Auch Schüler, die erst kurz vor dem Schellen erschienen waren und von der ganzen Geschichte nichts mitbekommen hatten, behaupteten dreist: »Das habe ich auch gehört! Heute Morgen hast du ganz laut geschrieen.«
    Helga stand kurz vor einer Explosion. Sie wusste selbst nicht, wie es ihr gelang, so ruhig zu bleiben. »Niklas war dabei, Florian zu würgen. Hast du das vergessen? Glaubst du, er hätte losgelassen, wenn ich ihn leise und höflich darum gebeten hätte?«
    »Nö, eigentlich nicht.«
    »Also, warum dann die Striche?«
    Natürlich würde sie von dem Kind keine Antwort erhalten. Es tat, was Mama wünschte. Aber warum? Warum wurde die Lehrerin von der Frau dermaßen angegangen? Sicher, es hatte immer wieder mal Auseinandersetzungen mit Eltern gegeben, doch bisher hatte sie alle Wogen glätten können. Mit Verständnis und Diplomatie war sie sowohl den Unverschämtheiten als auch der Arroganz diverser Erziehungsberechtigter erfolgreich begegnet. Aber das hier war etwas anderes. Eine Mutter hatte ihre Tochter angehalten, die Lehrerin zu bespitzeln. Sie überlegte. Derzeit gab es eigentlich nur eine Sache, die einen so massiven Angriff erklären würde. »Sag’ mal«, fragte sie Verena, »kennst du Pia-Maria aus der ersten Klasse?«
    Pia-Maria war das Mädchen, dem Niklas vor ein paar Wochen angeblich Gewalt angetan hatte, was objektiv nicht stimmte. Der momentane Lebensgefährte der Mutter bestand nun darauf, dass sie, Helga, für eine drastische Bestrafung des Jungen sorgen sollte, was jedoch aufgrund des Sachverhaltes nicht möglich war. Seinetwegen hatte sie bereits mehrere Briefe und Berichte ans Schulamt schicken müssen. Und seinetwegen war am Freitag das Fax aus Arnsberg gekommen.
    »Pia-Maria wohnt bei uns im Haus.«
    Das erklärte einiges, wenn nicht alles. Da hatten die Mütter, beziehungsweise deren Lebensabschnittsgefährten nichts Besseres zu tun, als sich zusammenzusetzen und ihr das Leben schwer zu machen. Erst die Beschwerden über sie beim Schulamt, jetzt wurden auch noch Kinder eingespannt, um Strichlisten zu führen über angebliche Vergehen im Unterricht. In ihr kochte die Wut. Am liebsten hätte sie losgebrüllt. Sie atmete sehr langsam und sehr tief. Doch dieses Mal funktionierte die Taktik nicht. Ihr Kopf drohte zu zerspringen. Wie sollten Kinder Respekt vor dem Nächsten, wie sollten sie Freude am Lernen entwickeln, wenn daheim nur verächtlich über Schule und Lehrer gesprochen wurde! Über den Arsch, dem man es zeigen muss! Aber was durfte sie erwarten, wenn Politiker mit schlechtem Beispiel vorangingen und Lehrer als faule Säcke beschimpften? Sie spürte, wie ihr Magen revoltierte und Übelkeit sie überfiel. Es gab nichts, das sie tun konnte. Schimpfen? Sinnlos. Das Kind wusste im Grunde nicht einmal, was es da tat. Mit der Mutter reden? Die würde alles auf ihre Tochter schieben und gar nicht verstehen, weshalb die Lehrerin sich überhaupt aufregte. Helga kannte die Reaktionen.
    Sie wandte sich ab. »Schlagt Seite 41 auf!« Abschreiben taten die Kinder gern und meistens auch einigermaßen leise. Sie brauchte Zeit, sich zu erholen. Langsam ließ sie sich auf ihren Stuhl hinter dem Pult sinken.
    Als sie mittags heimkam, fühlte sie sich als hätte sie pausenlos gekämpft und jede einzelne Schlacht verloren. Gegen Intrigen der Eltern und Beeinflussung der Kinder nutzte keine Wahrheit. Und da sie noch keinen Rektor erlebt hatte, der sich vorbehaltlos auf die Seite seiner Kollegen stellte, erschien es ihr unsinnig, Raesfeld anzurufen und ihm das Geschehen mitzuteilen. Er würde sie zu beruhigen suchen und ansonsten gar nichts tun. Falls die Mutter bei ihm vorstellig werden sollte, würde er diese ebenso behandeln und ihr vermutlich, wenn auch mit winzigen Einschränkungen, noch recht geben. Sie kannte diese Verhaltensweisen zur Genüge. Wehe dem, der die Routine störte. So oft schon hatte sie sich wie Don Quichotte gefühlt, nach seinem Kampf gegen Windmühlen. Enttäuscht. Zerschlagen. Ausgebrannt. Sie ließ sich aufs Sofa fallen und beschloss, das Kochen zu verschieben. Erst brauchte sie einen Cappuccino, ob zur Aufmunterung oder Beruhigung wusste sie

Weitere Kostenlose Bücher