Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
kommen.
„Morgen suchen wir was für dich.“
Leni trank Espresso und genoss die Aussicht.
Mit großer Geste stellte der Kellner zwei Gläser Sekt auf den Tisch.
„Mit Kompliment von Senor Tortosa“, verkündete er.
„Wer ist das?“ fragte Leni.
Der Kellner deutete auf einen Herren mit hellem Strohhut, der ein paar Tische weiter saß und nun grüßend sein Sektglas hob. Barbara kicherte.
„Wir haben einen Verehrer.“
„Was der von uns will? Der kennt uns doch gar nicht“, meinte Leni misstrauisch. Barbara nippte an ihrem Glas.
„Hm, lecker, daran könnte ich mich gewöhnen.“
Leni setzte ihre Sonnenbrille auf. Sie hatte eigentlich keine Lust, sich von jemand einladen zu lassen. Aber nun war es zu spät, Barbaras Glas war bereits halb leer.
Unauffällig musterte sie den Mann. Auf den ersten Blick machte er keinen schlechten Eindruck. Er war groß und schlank und trug einen hellen Anzug, dazu geflochtene Lederschuhe.
Barbara blätterte in einer Ausflugsbroschüre.
„Was meinst du, wollen wir morgen einen Ausflug in die Berge machen? Dieser Vulkankrater, das ist bestimmt interessant. Das würde ich gerne sehen. Eine Wanderung und ein typisches Mittagessen sind inklusive.“
„Es ist vielleicht ganz gut, wenn wir morgen mal nicht so viel in der Sonne sind. Da oben gibt es überall Wald“, meinte Leni mit einem Blick auf Barbaras Schultern, die ziemlich rot waren.
„Hier kriegt man aber auch rasend schnell einen Sonnenbrand.“
Barbara strich sich vorsichtig über ihre Arme und schaute dann wieder in die Broschüre.
„Caldera de Taburiente“, las sie stockend vor.
„Was das wohl heißt? Es klingt toll.“
„Das ist unser Nationalpark. Er ist einzigartig.“
Der Mann mit dem Strohhut war an ihren Tisch gekommen. Leni und Barbara schauten hoch.
„Entschuldigung, darf ich mich zu Ihnen setzen?“
„Aber gern“, antwortete Barbara und wies auf einen freien Stuhl.
Es war wohl ein Gebot der Höflichkeit, nachdem sie den Sekt angenommen hatten, aber Leni passte es trotzdem nicht. Barbara war viel zu vertrauensselig. Abweisend verschränkte sie die Arme vor der Brust und tastete mit dem Fuß nach ihrer Handtasche, die neben ihr auf dem Boden stand. Der Mann schaute sie amüsiert an, und sie fühlte sich ertappt. Man musste ihn als gut aussehend bezeichnen. Sie schätzte ihn auf Mitte fünfzig. Sein kantiges Gesicht war wettergebräunt, und einige längere, graumelierte Haare schauten unter seinem Hut hervor.
„Mein Name ist Luis Tortosa.“
Er deutete eine kleine Verbeugung an und setzte sich. Barbara war entzückt.
„Ich heiße Barbara, und das ist Leni“, übernahm sie die Vorstellung.
Leni konzentrierte sich wieder auf das Prospekt. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, dass sie nur auf männliche Gesellschaft gewartet hatten. Barbara allerdings war in Plauderstimmung.
„Wir wollen morgen einen Ausflug dorthin machen.“
Der Mann zeigte seine weißen, ebenmäßigen Zähne.
„Wollen Sie sich in einen Bus quetschen? Das ist nicht sehr komfortabel.“
„Wir haben keinen Mietwagen.“
Leni ließ keinen Zweifel daran, dass sie seine Meinung wenig interessierte.
„Und es ist ja auch sehr praktisch, wenn man einen Reiseleiter dabei hat, der alles erklärt.“
„Wenn Sie wollen, kann ich Sie herumfahren. Ich kenne mich hier sehr gut aus“, bot er an.
Barbara klatschte in die Hände.
„Das wäre ja super! Würden Sie das wirklich machen?“
Leni legte ihr die Hand auf den Arm.
„Wir müssen uns das erst noch überlegen, aber vielen Dank für das Angebot. Und danke auch für den Sekt“, sagte sie spröde.
„Der schmeckt einfach wundervoll“, schwärmte Barbara.
Leni war versucht, sie unter dem Tisch gegen das Schienbein zu treten. Aber das würde auffallen. Später musste sie mal ein ernstes Wort mit ihr reden. Der Mann stand auf.
„Ich will die Damen nicht länger belästigen“, erklärte er.
„Morgen um acht Uhr werde ich vor dem Hotel auf Sie warten. Wenn Sie mitfahren wollen, würde mich das sehr freuen.“
Er zog eine Visitenkarte aus der Brusttasche und überreichte sie Leni.
„Sie können sich gerne im Hotel nach mir erkundigen. Man kennt mich hier.“
Entsetzt stellte sie fest, dass sie rot wurde. Wann war ihr so etwas das letzte Mal passiert? Gar so offen hatte sie ihr Misstrauen nicht zeigen wollen.
„Wir wollen Sie nicht kränken, aber schließlich kennen wir Sie ja nicht.“
„Oh, ich verstehe das. Es ist immer gut, vorsichtig zu
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