Rentner-WG - ein Best-Ager-Roman aus Frankfurt
passieren. Und wenn sie ehrlich war, freute sie sich darauf, einen Abend mit diesem interessanten Mann zu verbringen.
Barbara saß an der Bar und wartete mit zwei Gläsern Cava auf sie.
„Na, hat er dich eingeladen?“
Leni war verblüfft. „Das hat er tatsächlich. Kannst du hellsehen?“
„Ich bin ja nicht blind.“
Barbara schmunzelte vor sich hin. Dass Luis großes Interesse an Leni hatte, war offensichtlich. Nur sie selbst hatte es noch nicht mitbekommen.
Barbara amüsierte sich königlich über Lenis Nervosität.
„Ich weiß nicht, was ich anziehen soll“, jammerte die.
„Das Kleid ist viel zu offenherzig. Dieser Ausschnitt, ich weiß immer noch nicht, was mich geritten hat, das zu kaufen. Der Hosenanzug ist zu bieder. Und zu dem neuen Rock passen nur die hochhackigen Schuhe. Damit kann ich unmöglich in der Altstadt herumlaufen. Da ist ja überall Kopfsteinpflaster.“
Leni war im Ausnahmezustand. Das letzte Mal, dass sie eine Verabredung mit einem Mann hatte, lag viele Jahre zurück. Und dieser Mann war Thomas gewesen.
„Was soll das überhaupt?“ sagte sie plötzlich ärgerlich. Sie verstand sich heute selbst nicht. Sonst stellte sie sich doch auch nicht so an wegen ihrer Garderobe. Barbara schien zu ahnen, was in ihr vorging.
„Das ist nichts weiter als ein netter Abend mit einem netten Mann. Er findet dich attraktiv, da ist doch nichts dabei. Genieß es einfach. Dein Thomas weiß doch schon gar nicht mehr, wie gut du aussiehst.“
Leni drehte sich vor den Spiegel hin und her.
„Na, ich weiß nicht.“
Sie betrachtete kritisch auf ihre Oberarme.
„Dummes Zeug.“
Barbara wurde richtig böse.
„Du nimmst das Kleid, in dem siehst du einfach toll aus. Zieh eine Strickjacke drüber, dann sieht man den Ausschnitt nicht so. Obwohl ich das für völlig überflüssig halte.“
Mit glänzenden Augen beobachtete Barbara von der Lobby aus den bewundernden Gesichtsausdruck von Luis, als er Leni begrüßte. Er trug einen weißen Abendanzug, der ihm unverschämt gut stand. Wie er ihr den Arm reichte, damit sie sich einhängen konnte, das hatte schon was. Mit einem kleinen Seufzer wandte sich Barbara zur Bar. Vor dem Abendessen war noch Zeit für ein Glas Cava und einen Schwatz mit Jorge, dem stets gut gelaunten Barkeeper, der sie so leicht zum Lachen bringen konnte.
Leni fühlte sich wie in einem Film. Einige Passanten drehten sich nach ihnen um und bewunderten offensichtlich das schöne Paar. Die denken das Falsche, dachte Leni trotzig. Dieser Luis würde sie nicht rumkriegen.
Drei Stunden später hatten ihre guten Vorsätze einige Risse bekommen. Das Restaurant mit dem malerischen Innenhof, der tadellose Service, das erstklassige Essen und auch der Wein nagten an der Distanz, die Leni krampfhaft zwischen sich und ihrem Begleiter halten wollte.
Er behandelte sie wie eine Königin, aber ständig hatte sie auch das Gefühl, dass er sie durchschaute. Er schien alle Gedanken zu kennen, die abwehrenden und die aberwitzigen, die ihr in wilder Folge durch den Kopf schossen. Sie warf einen verträumten Blick auf die rote Rose, die er für sie gekauft hatte. Sie konnte es nicht leugnen, es prickelte ganz gehörig zwischen ihnen. Natürlich war sie weit davon entfernt, sich in Luis zu verlieben, da konnte er ihr noch so feurige Blicke zuwerfen. Er hatte einen richtigen Dackelblick. Aber so richtig glaubte sie das selbst nicht.
Auf dem Rückweg zum Hotel war Leni ein wenig unsicher auf den Beinen und dankbar für den Arm, den Luis ihr anbot. Der Wein war einfach zu gut gewesen, sie hatte gar nicht mitbekommen, dass sie so viel getrunken hatte. Mit einem mulmigen Gefühl überlegte sie, wie er sich von ihr verabschieden würde. Er würde doch wohl nicht versuchen, sie zu küssen?
„Carissima, das war ein wunderschöner Abend. Ich danke dir dafür.“
Er nahm ihre Hand und küsste zart die Fingerspitzen. Dann sah er sie intensiv an.
„Ich komme morgen wieder vorbei.“
Sie lehnte sich ihm entgegen, schloss schon halb die Augen. Da sah sie, wie er sich umdrehte und die Straße hinunter ging.
Dieser Kerl gab ihr keine Chance. Er hätte zumindest versuchen können, sie zu küssen. Vielleicht hätte sie sich gewehrt. Aber so? Irritiert wandte sie sich zum Lift. Vermutlich hatte sie wirklich zu viel Wein getrunken.
„Endlich mal wieder Pommes rot-weiß. Mann, war das lecker!“
Arthur stöhnte vor Behagen und wischte sich mit einer Papierserviette etwas Mayonnaise vom Kinn. Mit den Fingern
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