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Replay - Das zweite Spiel

Titel: Replay - Das zweite Spiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Grimwood
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legte ›Desafinado‹ auf und wühlte weiter in den Besitztümern seiner Jugend: HIS-Hosen mit Umschlag und Botany-500- Sportjacken, eine Tennistrophäe vom Internat außerhalb von Richmond, das er vor Emory besucht hatte, eine in Seidenpapier eingewickelte Sammlung von Hurricane-Gläsern aus dem Pat O’Briens in New Orleans, stapelweise Playboy und Rogue.
    Er entdeckte eine Schachtel mit Briefen und Fotos, zog sie heraus und setzte sich aufs Bett, um den Inhalt durchzusehen. Da gab es Bilder von ihm als Kind, Schnappschüsse von Mädchen, an die er sich nicht mehr erinnerte, einige unsägliche Passfotos … und eine kleine Mappe mit Familienfotos, seine Eltern und die jüngere Schwester beim Picknick, am Strand, um den Weihnachtsbaum versammelt.
    Spontan holte er eine Hand voll Kleingeld aus der Tasche, ging zum Münztelefon auf dem Gang und erkundigte sich bei der Auskunft in Orlando nach der längst vergessenen alten Nummer seiner Eltern.
    »Hallo?«, sagte seine Mutter in dem zerstreuten Tonfall, der sich im Laufe der Jahre immer stärker ausgeprägt hatte.
    »Mutter?«, sagte er zögernd.
    »Jeff!« Ihre Stimme klang vorübergehend gedämpft, als sie sich von der Sprechmuschel abwandte. »Liebling, heb in der Küche ab. Es ist Jeff.« Dann, wieder klar und deutlich: »Also, was soll denn dieses ›Mutter‹? Du meinst wohl, du wirst allmählich zu alt, um mich ›Mom‹ zu nennen, ist es das?«
    Seit den frühen Zwanzigern hatte er seine Mutter nicht mehr so genannt.
    »Wie … wie geht es dir?«, fragte er.
    »Nicht mehr so wie früher, seit du weg bist, das weißt du ja. Aber wir halten uns auf Trab. Letzte Woche waren wir in Titusville fischen. Dein Vater hat einen dreißig Pfund schweren Pompano gefangen. Ich wünschte, ich könnte dir ein Stück davon schicken - so was Zartes hast du noch nicht gegessen. Wir haben im Gefrierschrank eine Menge für dich aufgehoben, aber er wird nicht mehr so gut sein wie frisch.«
    Ihre Worte rührten einen Schwall von Erinnerungen auf, alle lose miteinander verknüpft: Sommerwochenenden mit dem Boot seines Onkels auf dem Atlantik, die Sonne strahlend hell auf dem polierten Deck, während eine dunkle Linie von Gewitterwolken am Horizont schwebte … die verfallenen kleinen Städtchen Titusville und Cocoa Beach vor der Invasion der NASA … der große weiße Gefrierschrank in der Garage zu Hause, voller Steaks und Fisch, und darüber Regale mit Schachteln, voll gestopft mit all seinen Comicheften und Heinlein-Romanen…
    »Jeff? Bist du noch dran?«
    »Oh, klar, tut mir Leid … Mom. Ich hab bloß vergessen, weswegen ich vor einer Minute angerufen habe.«
    »Na, mein Liebling, du weißt doch, dass du keinen besonderen Grund brauchst, um…«
    In der Leitung klickte es, dann hörte er die Stimme seines Vaters. »Also, wenn man vom Teufel spricht! Wir haben gerade von dir geredet, nicht wahr, Schatz?«
    »Das stimmt«, sagte Jeffs Mutter. »Vor noch nicht mal fünf Minuten hab ich gesagt, wie lange es schon her ist, dass du nicht mehr angerufen hast.«
    Jeff hatte keine Ahnung, ob damit eine Woche oder ein Monat gemeint war, und er wollte auch nicht danach fragen. »Hi, Dad«, sagte er rasch. »Wie ich höre, hast du einen preisverdächtigen Pompano zur Strecke gebracht.«
    »Hey, du hättest dabei sein sollen.« Sein Vater lachte. »Bei Bud hat den ganzen Tag keiner angebissen, und das Einzige, was Janet zuwege brachte, war ein Sonnenbrand. Sie schält sich immer noch - sieht aus wie eine zu lang gekochte Garnele.«
    Jeff erinnerte sich dunkel, dass die Namen zu einem der Ehepaare gehörten, mit denen seine Eltern befreundet waren, doch er konnte ihnen keine Gesichter zuordnen. Es verblüffte ihn, wie energiegeladen seine Mutter und sein Vater klangen. Sein Vater hatte 1982 ein Emphysem bekommen und verließ seitdem selten das Haus. Nur mühsam konnte Jeff ihn sich draußen auf dem Meer vorstellen, mit einem kräftigen Tiefseefisch ringend, die Pall Mall im Mundwinkel aufgeweicht von der Gischt. Tatsächlich waren seine Eltern, dachte Jeff wie betäubt, fast genau in seinem Alter - oder in dem Alter, das er gestern um diese Zeit gehabt hatte.
    »Oh«, sagte seine Mutter, »gestern traf ich zufällig Barbara. Sie macht sich gut bei Rollins, und sie bat mich, dir zu sagen, dass Cappy das Problem wieder vollständig bereinigt hat.«
    Barbara, erinnerte sich Jeff vage, war ein Mädchen, mit dem er auf der High School öfter ausgegangen war; aber der Name Cappy sagte ihm

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