Replay - Das zweite Spiel
hoffte.
»… minus eins, null, plus eins - stopp! Verdeckte Karte ist eine Zehn.«
Jeff zeigte ihm den Kreuzbuben, und sie warfen eine Fünf ab. Frank trank sein Bier aus, stellte die Flasche auf den Nachttisch zu einem halben Dutzend anderer leerer Flaschen. »Hey«, sagte er. »An einem dieser Drive Ins, an denen wir auf dem Weg in die Stadt vorbeigekommen sind, lief Dr. No. Lust hinzufahren?«
»Mein Gott, Frank, wie oft hast du den Film schon gesehen?«
»Drei- oder viermal. Er wird mit jedem Mal besser.«
»Mir reicht’s inzwischen. Von James Bond hab ich ’ne Überdosis verpasst bekommen.«
Frank sah ihn merkwürdig an. »Du hast was?«
»Vergiss es. Mir ist einfach nicht danach. Nimm den Wagen, die Schlüssel liegen auf dem Fernseher.«
»Was ist los, trauerst du um den Papst? Ich wusste nicht mal, dass du katholisch bist.«
Jeff lachte und griff nach seinen Schuhen. »Ach, was soll’s, meinetwegen. Wenigstens ist es nicht Roger Moore.«
»Wer, zum Teufel, ist Roger Moore?«
»Eines Tages wird er ein Heiliger sein.«
Frank schüttelte den Kopf und runzelte die Stirn. »Redest du vom sterbenden Papst oder von James Bond oder was? Weißt du, mein Freund, manchmal hab ich nicht den leisesten Schimmer, wovon du überhaupt redest.«
»Ich auch nicht, Frank, ich auch nicht. Komm schon, lass uns ins Kino gehen. Eine kleine Flucht aus der Realität ist genau das, was wir brauchen.«
Am nächsten Tag fuhren sie direkt nach Las Vegas durch, sich gegenseitig am Steuer des Avanti ablösend. Jeff war noch nie in Nevada gewesen, und der neonbeleuchtete Strip erschien ihm leerer, weniger grell, als er ihn aus Filmen und Fernsehshows der 80er Jahre in Erinnerung hatte. Dies war ein Las Vegas vor Howard Hughes, bevor das Hilton- und MGM-Kapital die gewaltigen, respektablem Casinohotels aufgebaut hatte. Die Casinos, die dieses unwirklich kleine Teilstück der Nevada State Road 604 beherrschten, waren niedrige, urwüchsige Überbleibsel der Gangsterära der Nachkriegszeit: das Dunes, das Tropicana, das Sands. Rat Pack -Las Vegas, geradewegs aus alten Gaunerfilmen mit swingenden, fingerschnippenden Soundtracks entsprungen. In der heißen, trockenen Luft lag noch eine provozierende Andeutung von Lasterhaftigkeit.
Sie checkten im Flamingo ein und hinterlegten im Hotelcasino sechzehntausend Dollar in bar. Der zweite Geschäftsführer, nichts als Zähne und Großspurigkeit, gewährte ihnen eine Gratis-Dreizimmersuite und alles Essen und Trinken, das sie für die Dauer ihres Aufenthalts benötigten.
Frank verbrachte den Abend damit, sich die Black-Jack-Tische anzusehen. Ihn interessierten die Zahl der in Gebrauch befindlichen Tische, die Regeln des Aufteilens und Verdoppelns, die Geschwindigkeit und die Persönlichkeit der verschiedenen Kartengeber. Jeff sah sich eine Weile mit ihm zusammen um, dann begann er sich zu langweilen und schlenderte im Casino umher, nahm die bizarre Atmosphäre des Ortes in sich auf. Alles wirkte hier wie eine Illusion. Die grellbunten Chips repräsentierten riesige Geldsummen, die auffällig gekleideten Männer und Frauen waren verzweifelte Fassaden sexueller Herausforderung und eines vorgetäuschten, grenzenlosen und unbekümmerten Reichtums.
Jeff ging früh wieder aufs Zimmer und schlief bei der Jack Paar Show ein. Als er am nächsten Morgen aufstand, tigerte Frank im Wohnzimmer der Suite auf und ab, murmelte in einem fort vor sich hin und konsultierte wiederholt einen Satz behelfsmäßiger Diagramme. »Kommst du mit frühstücken?«
Frank schüttelte den Kopf. »Ich will die hier noch einmal durchsehen und vor Mittag an die Tische gehen. Die Dealer gegen Ende der Morgenschicht erwischen, wenn ihre Konzentration allmählich nachlässt.«
»Klingt gut. Viel Glück! Sag mir Bescheid, wie’s läuft.«
Jeff aß allein an einem Tisch für sechs im Hotelrestaurant und las die Rating Form. Die Quoten für Chateaugay im Belmont Derby kletterten noch, nahm er zufrieden zur Kenntnis, doch keines der vielen anderen Rennen sagte ihm etwas. Er verschlang eine doppelte Portion Rühreier mit einer dicken Scheibe Landschinken, dann genehmigte er sich einen großen Stapel Pfannkuchen und ein drittes Glas Milch. In den letzten Jahren hatte er sich angewöhnt, das Frühstück ganz auszulassen und nur ein Stück Dänischen Käse und die erste von vielen Tassen Kaffee auf dem Weg zur Arbeit zu sich zu nehmen; sein neuer, junger Körper aber hatte seine eigenen Gelüste.
Als Jeff ins Zimmer
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