Reptilia
wert.«
Wir durchforsteten alle Notizen und sämtliche Datenbanken des Computers, aber es war so, wie ich befürchtet hatte. Mit einer an Wahnsinn grenzenden Gründlichkeit waren sämtliche Spuren, die Licht in die Erkenntnisse der Palmbridge-Expedition hätten bringen können, gelöscht worden. Papiere, Daten, selbst die Objektträger, auf denen sich Mokéles Blut befunden haben mochte, waren vernichtet worden. Emily hatte sie in einer Petrischale mit Öl Übergossen und verbrannt.
»Es hat keinen Zweck«, gab ich nach einer halben Stunde unumwunden zu. »Emily hat wirklich gründlich gearbeitet. Die wenigen Informationen, die noch lesbar sind, sagen gar nichts. Es könnte sich dabei genauso um Forschungsergebnisse über die kongolesische Sumpfkröte handeln.«
»Abgesehen von der Tatsache, dass es ein solches Tier nicht gibt.« In Elieshis Gesicht spiegelte sich Enttäuschung. »Und was sollen wir jetzt Ihrer Meinung nach tun?«
»Die Frage ist: Was können wir tun? Ich fürchte, wir haben nicht viel in der Hand. In Anbetracht unserer prekären Lage würde ich vorschlagen, nichts zu unternehmen.«
»Nichts? Wie meinen Sie das? Sollen wir hier alles so stehen und liegen lassen?«
Ich nickte. »Wie sollen wir die Sachen denn transportieren? Aber ich würde Emily gerne neben ihren Begleitern beerdigen. Ich glaube, das hätte ihr gefallen.«
»Und dann?«
Ich zuckte die Schultern. »Dann, finde ich, sollten wir Emilys letzten Wunsch respektieren und vergessen, was wir hier gesehen haben.«
Elieshi blickte mich ungläubig an. »Und die Erforschung von Mokéle jemand anderem überlassen?«
Ich zuckte die Schultern. »Bedenken Sie doch mal unsere Lage. Wir sind schwer angeschlagen, Sixpence kam zu Tode, und unser Flugzeug ist ein Trümmerhaufen. Mokéle ist gereizt und wird wieder angreifen. Wir müssen hier verschwinden. Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen, aber wir sind am Ende.«
Elieshi kickte einen Stein zur Seite. »Verdammt logisch argumentiert, Herr Professor, das muss ich Ihnen lassen. Es gefällt mir zwar nicht, aber ich kann es nicht ändern.« Sie ließ die Schultern hängen. »Immerhin bleibt uns ja noch eine Hoffnung. Wenn wir es schaffen, unser Geheimnis für uns zu behalten, haben wir vielleicht die Möglichkeit, eines Tages, zurückzukehren. Auf jeden Fall sind wir dann besser vorbereitet.« Mir fiel auf, dass sie von ihren eigenen Worten nicht überzeugt zu sein schien, aber ich schwieg. Sie klammerte sich an den letzten Hoffnungsschimmer, und den wollte ich ihr nicht nehmen.
Elieshi warf noch einen letzten enttäuschten Blick auf das Schlaflager, dann sagte sie: »In Ordnung. Begraben wir Emily. Das hat sie verdient. Danach verschließen wir diesen Tempel wieder, und dann nichts wie nach Hause.«
31
Als wir nach einem dreistündigen Fußmarsch endlich die vertrauten Zelte vor uns aus dem regennassen Buschwerk auftauchen sahen, waren meine Beine schwer wie Blei. Doch so mühsam der Marsch auch gewesen war, er hatte mir geholfen, mir über einiges klar zu werden. In den zurückliegenden Stunden hatte ich genügend Zeit gehabt, um Abschied zu nehmen und um zu dem Schluss zu gelangen, dass ich jahrelang in einer riesengroßen Seifenblase gelebt hatte. Aber damit würde nun Schluss sein. Ich wollte nach Hause. Ich wollte Sarah in meine Arme nehmen und ihr sagen, was für ein Idiot ich gewesen war. Und ich wollte mich bei ihr entschuldigen und ihr versprechen, dass nun alles besser werden würde.
Das Lager war verlassen. Von Maloney war keine Spur zu sehen. Er war weder in seinem noch in einem der anderen Zelte. Allerdings lag das Schlauchboot unbenutzt am Ufer, so dass wir nicht befürchten mussten, dass er uns dauerhaft verlassen hatte. Vielleicht musste er sich nur mal die Beine vertreten, vielleicht war er aber auch am Grab seines Freundes. In diesem Fall wollte er sicher allein sein.
Elieshi und ich beschlossen, uns schnell etwas zu essen zu machen und uns dann hinzulegen. Ich spielte kurz mit dem Gedanken, mich mit Lady Palmbridge in Verbindung zu setzen und sie über die jüngste Entwicklung zu informieren, aber nach kurzem Zögern verwarf ich den Gedanken wieder. Die Nachricht vom Tod ihrer Tochter wollte ich ihr nicht über das Telefon überbringen. Elieshi war ebenfalls nicht zum Plaudern aufgelegt. Mit schnellen, kontrollierten Bewegungen schaufelte sie etwas Müsli in sich hinein und zog sich dann zurück, um ihre Notizen zu vervollständigen. Über dem Lager lag eine
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