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Reptilia

Reptilia

Titel: Reptilia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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erreichen, ehe das Monster erneut zuschlagen würde. Mokéle schob seinen massigen Leib aus dem Wasser. Er ragte nun unmittelbar über ihm auf. Im Vergleich dazu sah der Jäger wie ein Zwerg aus. Hilflos musste ich mit ansehen, wie das Ungetüm auf den Australier losging. In diesem Moment hallte ein Schuss über das Wasser.
    Sixpence.
    Irgendwie hatte es der Aborigine geschafft, wieder ins Boot zu gelangen, und nun feuerte er mit Maloneys großer Elefantenbüchse auf das urzeitliche Lebewesen. Ein dumpfes Schmatzen erklang. Blut spritzte aus einer tiefen Wunde an der Schulter, und ein animalischer Schrei ertönte. Mokéle war also doch nicht unverwundbar. Nun erkannte ich auch eine Unzahl an Narben, die mir nur deshalb nicht aufgefallen waren, weil seine Haut so dick mit Algen überwuchert war.
    Mokéle fuhr herum und zögerte. Er hatte Sixpence erblickt, doch er schien unentschlossen, welchen der beiden Widersacher er zuerst erledigen sollte. Mit einem Fauchen wandte er sich wieder Maloney zu, dem es noch immer nicht gelungen war, seine Waffe zu erreichen. Da fiel ein weiterer Schuss.
    »Nein!«, schrie Maloney. »Hör auf damit, Six’! Lass den Motor an und mach, dass du wegkommst. Hau ab!«
    Doch es war zu spät. Nach dem letzten Schuss änderte Mokéle seine Strategie. Er tauchte ab und hielt auf das Schlauchboot zu. Deutlich konnte ich die Spur der Wellen sehen, die auf das Boot zuhielten. Mit panischen Bewegungen versuchte Sixpence den Motor wieder anzuwerfen, während Mokéle auf ihn zuraste wie ein Sechstonner auf einen unbedarften Passanten. Sixpence erkannte, dass es zu spät war, um mit dem Boot zu entkommen. Er schleuderte das Gewehr fort und sprang ins Wasser. Vielleicht hatte er die Hoffnung, dass der Saurier nur das Boot angreifen würde. Doch er wurde aufs Schrecklichste enttäuscht.
    Ich sah, wie sich Mokéles Kiefer öffneten und schlossen, ich hörte das stählerne Schnappen und dann einen furchtbaren Schrei. Sixpence verschwand, während das Wasser sich rot färbte.
    Mokéle umkreiste die Stelle noch zweimal, dann tauchte er in einer blutroten Wolke aus Schaum und Gischt hinab in die Tiefen des Sees.
    »Oh Gott, nein«, rief Maloney mit entsetztem Blick. Ungeachtet der Gefahr lief er ins Wasser hinaus und schwamm auf seinen Freund zu, der etwa fünfzig Meter vom Ufer entfernt regungslos dahintrieb.
    Nach einer Weile kam er zurück und zog das Bündel, das einmal ein Mensch gewesen war, hinter sich her. Ich sah bereits aus einiger Entfernung, dass meine schlimmsten Befürchtungen sich bewahrheitet hatten. Als er Sixpence’ leblosen Körper an Land trug, schlug ich die Hände vor den Mund.
    Ein Bein fehlte völlig, während das andere nur noch an einem losen Verbund von Adern und Sehnen hing. Eine klaffende Wunde zog sich über seinen gesamten Unterleib, so dass große Teile seiner Gedärme heraushingen. Seine Augen waren aufgerissen und starr vor Entsetzen, seine Haut grau und farblos. Als Maloney ihn vor meinen Füßen zu Boden legte, entrang sich ein Rasseln seiner Brust.
    Sixpence war noch am Leben.
    Maloney kniete neben ihm. Er schien zu weinen, obwohl ich das nicht mit Bestimmtheit sagen konnte. Vielleicht waren seine Wangen auch nur feucht vom Wasser des Sees. Er blickte mich aus rotgeränderten Augen an, und seine Stimme klang leise und brüchig. »Bitte, Mr. Astbury, helfen Sie mir, ihn zu retten.«
    Ich kniete mich neben den Aborigine, hob seinen Kopf und strich ihm die feuchten Haare aus dem Gesicht. Er schien mich nicht zu erkennen. »Das ist zwecklos«, antwortete ich. »Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt. Aber er hat seinen Schwur erfüllt, so, wie er es versprochen hat.«
    Bei diesen Worten hob Sixpence das Gesicht und blickte seinen Freund an, als würde er ihn erst jetzt wiedererkennen. »Scheiße, Stew«, wisperte er. »Nun hat’s mich erwischt.«
    »Halt durch«, flüsterte Maloney und es war ihm anzusehen, dass er Höllenqualen litt. »Du wirst wieder gesund, glaub mir.«
    Der Aborigine schüttelte den Kopf und hustete blutigen Speichel. » Lass gut sein«, röchelte er, »aber einen Gefallen könntest du mir noch tun …«
    » Jeden, mein Freund. Jeden.«
    Sixpence versuchte zu lächeln. »Lass die Finger von Elieshi … ist ein guter Mensch. Hat es nicht verdient, schlecht behandelt zu werden …« Sein Lächeln erstarrte, und mit einem letzten Keuchen sackte er in sich zusammen.
    Ich schloss die Augen.
     
    *
     
    Als ich sie wieder öffnete, standen Elieshi

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