Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Vielleicht hat er auch angerufen und ist nicht durchgekommen. Er wird sich schon noch melden, der Tag ist noch nicht zu Ende.“
„Hoffentlich. Haben Sie denn eine Nachricht für uns?“
„Noch nicht – aber ein Anliegen. Ich bin mit einem Kollegen unterwegs und habe von hier aus keine Möglichkeit, etwas herauszufinden, was ich schnellstens wissen müsste, nämlich, ob es sich bei Holger Sehring in Sulzbach um den Verkäufer in der Blumenboutique am Frankfurter Hauptfriedhof handelt.“
„Ich stell das sofort fest und rufe gleich zurück.“
Müller, der die Aufregungen um Edwin Konrads Verschwinden von der Reha aus gespannt verfolgt hatte, spitzte die Lippen und rief, während Raabe schon den Motor startete: „Das ist ja hochinteressant. Der Bursche in jenem Blumenladen, vor oder hinter dem man Edmund Konrads Polo gefunden hatte, der war … das war der Gefährte des falschen Mensinger?!“
„Es sieht ganz danach aus.“
Sie schwiegen beide bis zur Weirichstraße 210 und wurden von Höpfners ehemaligem Polizeikollegen Eckert geradezu überschwenglich empfangen. Hilmer hatte ihren Besuch angekündigt. Aus dem Pensionär sprudelten die Worte nur so heraus. Da hat sich wohl einiges angestaut, dachte Raabe. Eckert dirigierte sie ins Wohnzimmer.
„Hilmer hat mich über Ihre Recherchen informiert. Der Höpfnerskandal damals … was war das eine schlimme Sache für mich. Als ich noch sehen konnte, war ich total blind. Wie alle hielt ich Höpfner für eine grundehrliche Haut. Ein heiterer und freundlicher Kollege, bescheiden, hilfsbereit und zuvorkommend. Wir arbeiteten über fünf Jahre zusammen und kamen bestens miteinander aus, so grundverschieden wir in Art und Lebensweise auch gewesen sind. Ein eingespieltes Team, das gute Polizeiarbeit leistete. Und dann so was! Höpfner ein Gauner. Ich bin heute noch platt. Er war Eising! Nicht zu fassen! Eising, der Betrüger, nach dem zu fahnden Höpfner selbst beteiligt war! … oder besser, so getan hatte als ob. Das konnte niemand vermuten. Nicht bei ihm. Hat Höpfner – beziehungsweise hatte Höpfner etwas mit der Serie der Vermissten im Frankfurter Raum zu schaffen?“
„Wir sind dabei, das zu prüfen. Sagen Sie …“
„Entschuldigung, ich rede und rede und lasse Sie nicht zu Ihren Fragen kommen. Man wird seltsam als frühzeitiger Zwangspensionär. Fragen Sie bitte, ich werde alles beantworten, was ich kann.“
„Uns interessieren ein paar Sachen, die vermutlich aus der Akte nicht hervorgehen. Zum Beispiel, ob Höpfner Mitglied in einem Klub war oder einem Verein.“
„Ich glaube kaum, jedenfalls ist mir nichts dergleichen bekannt.“
„Gab es eine Kneipe, die er vorzugsweise aufsuchte, oder ein Restaurant?“
„Tja – wissen Sie – wenn er in ein Restaurant ging, dann mit seinem Gefährten ins – ähem – er war nämlich …“
„Schwul, ich weiß.“
„Die gingen dann ins ‚Odeon‘ in der Töngesgasse. Öfter aber besuchten sie Konzerte oder Theater.“
„Hatte er Kontakt zu seinen Eltern in Leer?“
„Die waren da schon lange tot. Es gab einen Bruder in Südafrika, mit dem korrespondierte er in längeren Abständen – ich glaube, die wenigen Briefe von ihm sind in der Akte.“
„Was wissen Sie über seine Besitztümer in der Karibik und an der Küste Portugals?“
„Das, was in den Akten steht. Dass er alles ergaunert hat, was ihm aber nicht nachzuweisen war. Vorher, ich meine, bevor er aufflog, wusste ich davon so gut wie nichts. Man munkelte, dass er wohlhabend sei. Von Haus aus.“ Eckert presste seine Unterlippe zwischen Daumen und Zeigefinger. „Er hat darüber nie gesprochen, was ich in meiner Einfalt für Bescheidenheit hielt und wofür ich ihn nur umso mehr achtete. Jemand sprach ihn einmal darauf an. Er tat es verächtlich ab, murmelte was von Erbschaft seitens des Großvaters mütterlicherseits, Nachkomme eines Herzogs, dass er sich aber nicht viel daraus mache, seine Arbeit als Polizist sei ihm wichtiger.“
„Verbrachte er seine Urlaube in der Karibik oder in Portugal?“
„Ich glaube nicht. Seine Ansichtskarten kamen immer vom Timmendorfer Strand.“
„Was wissen Sie über seinen Bekanntenkreis, gab es auch Frauen oder Freundinnen?“
„Also ehrlich, Kollegen, über sein Privatleben weiß ich herzlich wenig. Aber einmal hat er mir einen Ärger mit seinem Lebensgefährten anvertraut. Sehring hatte ihm einen Seitensprung mit einem jungen Mann unterstellt, was er heftig bestritt. Der Krach ging so weit, dass
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