Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
Krankenhausküchen dafür halten, war ihr mehr als willkommen. Sie nahm die heiße Tasse dankbar entgegen und setzte sich wieder auf die Bank. Sie trank in kleinen Schlucken. Es war das reinste Elixier. Die Tür zu Müllers Zimmer wurde geöffnet. Eine Frau und drei Kinder kamen heraus, immer noch lachend und plappernd.
Zum ersten Mal überlegte Beate, was sie von dem Fremden eigentlich wollte, dem Mann, der von allem nichts wissen konnte, der die Vorgeschichte nicht kannte und vor allem, den sie nicht kannte, geschweige denn, seine Einstellung. Sie wusste nicht einmal, seit wann er mit Horst zusammenarbeitete und wie er zu ihm stand. Außerdem – brachte man bei Krankenbesuchen nicht Blumen mit? Konnte man denn mit leeren Händen einfach so … Feigling. Alles Ausreden. Es wird nicht umgekehrt. Es geht um Koko, verdammt! Sie klopfte energischer an die Tür als beabsichtigt.
„Hereinspaziert, wenn‘s kein Schneider ist!“, war die launige Reaktion. Das gefiel ihr.
„Ich bin so frei, weil kein Schneider – nur Beate Konrad und wollte zu Herrn Raabe, aber man lässt mich nicht zu ihm.“
„Das ist gescheit, dass Sie zu mir kommen“, er streckte ihr die Hand entgegen, „bitte setzen Sie sich zu mir. Ich muss mich entschuldigen für den dummen Spruch. Meine Frau hatte mir den Besuch meines Bruders avisiert, und als Sie anklopften, dachte ich, er sei es. Mit Ihrem Mann, das tut mir unendlich leid, aber jetzt geschieht einiges, auch bei uns im Präsidium, dieser Hübner …“ Jemand klopfte an, Müller wiederholte seinen Spruch, aber es war wiederum nicht sein Bruder. Marion Raabe trat ein und im Gefolge, zum Erstaunen der beiden, Günter Knöpfle. Sie begrüßten Müller und erkundigten sich nach seinem Befinden und dann erst entdeckten sie Beate. Marion umarmte und drückte sie an sich.
„Knöpfle und ich kommen geradewegs von meinem Mann“, erklärte Frau Raabe. „Er schläft jetzt, aber gleich am Anfang unseres Besuches mussten wir ihm versprechen, dass wir mit der Neuigkeit – nämlich Knöpfles Entlassung – sofort zu Ihnen kommen. Herr Knöpfle ist vor zwei Stunden aus der U-Haft entlassen worden.“
Müller strahlte. „Gratuliere! Das wurde aber auch Zeit.“
„Ja. Hauser konnte mich endlich loseisen, weil Rehbein einen Taxifahrer aus dem Hut gezaubert hat, der die Schwarz nach meinem „Blutrausch“ gefahren hatte. Bitte, was wollten Sie beide von Leitmeier erfahren?“, fragte Knöpfle übergangslos. „Der Boss fing gerade an, es mir zu erzählen, und schlief darüber ein.“
„Herausfinden, ob sein entführter Sohn Max identisch ist mit einem Max, der zu der Zeit, als der falsche Mensinger noch bei der Polizei in Bremen und mit Sehring liiert war, als Medizinstudent in Bremen wohnte. Den Zusammenhang kann ich nicht in einem Satz erklären, aber die Ereignisse von der Stunde am Mainufer an bis zu Sehrings Verhaftung sind in meinem Bericht festgehalten, den ich vor unserer Unglücksfahrt noch in den Rechner eingegeben habe.
„Den nehm ich mir als erste Amtshandlung zur Brust. Danach werden die Ärmel hochgekrempelt, wenn es sich ergibt, noch heute Nacht.“
„Sehr gut! Halten Sie die Stellung im Mordkommissariat bis übermorgen. Da komme ich hier raus, dann halten wir sie gemeinsam, bis der Boss zurück und die alte Ordnung wiederhergestellt ist. Ich übernehme dann das Vermisstendezernat und sorge dort für Aufwind.“
„Das Vermisstendez…?“ Knöpfle machte ein skeptisches Gesicht.
„Hübner ist weg vom Fenster.“
„Ist das amtlich?“
„Es ist. Ich hab‘s von Direktor Mandel höchstpersönlich. Er kam uns heute besuchen. Raabe hatte er verfehlt, der wurde zum Röntgen geschoben, und Mandel hatte keine Zeit zu warten. Er hat mir gleich im Anschluss an die erfreuliche Nachricht von Hübners Suspendierung eröffnet, dass ich als sein Nachfolger eingesetzt werden soll, sobald ich beim Mordkommissariat entbehrlich bin. Bis dahin leitet Hübners bisheriger Assistent die Vermisstenstelle kommissarisch – seine Dienstjahre reichen zum festen Nachrücken nicht aus.“
„Ist Hübner der Korruption überführt?“
„Leider nein, aber das kommt noch, die Untersuchungen laufen. Suspendiert wurde er wegen Nichtbefolgens irgendwelcher Anweisungen aus der Chefetage, nachdem er dem Direktor gegenüber, als der ihn zur Rede stellte, auch noch ausfallend geworden war.“
„Da kann man nur hoffen, dass jetzt …“
Beate konnte der Unterhaltung nicht weiter folgen … sie
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