Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
nickte in ihrem Sessel ein. Die Spannung, die sie bis dahin in Atem gehalten hatte, war Erleichterung gewichen. Knöpfle hingegen sprang vom Hocker auf.
„Entschuldigt mich, das muss ich ihm sagen, auch wenn ich ihn wachrütteln muss, das will er wissen“, sprudelte es aus ihm heraus und er lief davon. Marion rief ihm nach:
„Alles klar, Knöpfle, aber bitte nicht rütteln!!“
Müller schmunzelte. Er genoss die Situation und fragte Frau Raabe nach Horst. „Ich bekomme hier oben nur ausweichende Antworten und ich darf nicht zu ihm.“
„Es ist weniger schlimm, als zunächst angenommen wurde. Er hat eine Infraktion am Hinterhauptbein, einen Schlüsselbeinbruch und eine Gehirnerschütterung, das alles zusammengenommen ist aber längst nicht so schlimm wie ein Schädelbasisbruch, den man zunächst befürchtet hatte. Dennoch ist sein Kopf in Gips, er darf ihn vorerst nicht bewegen.“
„Infraktion – was ist denn das?“
„Das heißt so viel wie angeknackst – oder angebrochen. Es ist jedenfalls kein richtiger Bruch.“
Die Tür flog auf, Knöpfle stürzte herein und beschwor Marion Raabe, mit ihm zur Intensivstation zu kommen. „Ohne Sie lassen die mich nicht rein, diese Kanaillen!“
***
Der Dialog zweier Pfleger führte Edmund beinahe vorzeitig aus dem im Ausklang befindlichen künstlichen Zustand.
„Sie sind Dieter Schuster? Mein neuer Kollege? Wie kommt es, dass Roland Haug den Job nicht mehr macht?“
„Der Pflegedienst in der Apathie ist auf einen Monat begrenzt und den hat Haug hinter sich. Ich bin nächste Woche ebenfalls draußen.“
„Ach so – ich dachte …“
„... wir hätten die gleiche Vergünstigung von fünf Jahren wie das Pflegepersonal in den Krankenstationen. Das trifft leider nicht zu. Unser einziger Vorteil besteht in der Verlängerung unserer Zeit in Repuestos -West um einen Monat. Ist es Ihnen recht, wenn wir uns duzen? Das macht die Einarbeitung leichter. Ich bin Adolf. Komm, wir müssen – es ist vier Uhr.“
Da sind sie wieder, die Stimmen, nach reichlichem Kauderwelsch auf einmal wieder deutlich.
„Nein, bestimmt nicht, Dieter, die hören uns nicht. Da kannst du dich fest drauf verlassen. Die sind weggetreten.“
„Aber ich habe deutlich gesehen, wie die Nummer acht das Gesicht verzogen hat.“
„Das sind bloß Reflexe, rein äußerlich, und hat nichts zu besagen. Das kommt mitunter vor, daran musst du dich nicht stören. Sieh her: So werden die Zuleitungen gewechselt, hast du gut zugesehen? Ich nehm es noch mal zurück und jetzt wechselst du sie. Ganz ruhig, ruhig! Du bist nicht richtig bei der Sache.“
„Unheimlich ist das alles.“
„Das gibt sich nach ein paar Tagen. Gut, ja, so ist es richtig.“
„Ist das ebenfalls alle drei Stunden an der Reihe?“
„Nein, nur zweimal am Tag. Du kannst auch zusätzlich wechseln, zwischendurch … aber die festgelegten Termine darfst du auf keinen Fall verpassen. Dein Roboter zeigt dir alle Disziplinen zum richtigen Zeitpunkt an. Den musst du überallhin mitnehmen, auch zum Klo. Und schlaf um Himmels willen nicht ein, ein unterlassener Handgriff zum erforderlichen Moment wird dir zum Verhängnis.“
„Warum darf man nicht zu zweit Wache schieben?“
„Das weiß ich doch nicht. Komm jetzt mit rüber zur Schalttafel. Sieh dir die Anordnung der Leuchtdioden an. Die musst du anhand der Checkliste bedienen, sie hängt hier, siehst du? Und sei ja vorsichtig! Ein Fehlgriff und Großalarm setzt ein und du bist geliefert. So. Und nun zum Schaltkasten für die Abwässerautomatik oi … mag … lup.“
Von einer auf die andere Sekunde kann ich nichts mehr verstehen. Was war das jetzt, wo hat dieser Unterricht stattgefunden, vielmehr diese Unterweisung? In der Kontrollstation eines Atommeilers? Wie gelangten die Stimmen durch die Astralwelt? Wohin treiben sie, leiser werdend, zerhackt und … aus? Was war das? Das war doch – der eine sagte doch – ich meine, der sagte doch – es entschwindet, Nacht umfängt mich. Nacht Sie traten hinaus und sahn die Sterne.“
***
„Hallo! Niemand da??“ Theo Körner eilte von Raum zu Raum. Es war tatsächlich keiner da. Nicht einmal Frau Schröder. Hatte es irgendetwas Besonderes gegeben? Niemand hatte ihm eine Nachricht hinterlassen. Da fiel ihm ein, es konnte ja keiner wissen, dass er heute doch ins Büro kommen würde. Falscher Alarm hatte ihn ins Krankenhaus gelockt, die Wehen, zwei Tage zu früh, hatten es
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