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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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doch, Kleines, du bist immer willkommen“, sagte Theo. „Das ist Edmund Konrad, ehemals Lehrer an der Hellmann-Schule. Kannst bei ihm dein großes Latinum vollenden.“
    Das Mädchen reichte Edmund die Hand.
    „Tag Edmund, ich bin Marlene. Wir haben uns drüben auch schon gesehen, in der Bowling-Bar.“
    „Stimmt. Ganz nebenbei, mit dem großen Latinum liegt Theo falsch, Latein ist – war nicht mein Fach, leider. Es stimmt, ich erinnere mich an den Tag in der Bowling-Bar. Du warst mit dem jungen Mann zusammen, ihr …“
    „Sei still!“, sagte sie, stand auf, fing an zu weinen und lief fort. Er sah ratlos hinter ihr her und Theo fragend an. Der hob und senkte die Schultern mit einer Ich-weiß-auch-nicht-Miene. Er wischte mit der Serviette über seinen Mund, schob Teller, Tasse und Besteck zur Mitte des Tisches. „Ich bin mit Alexander zum Schach verabredet. Kennst du Alex?“
    „Ich glaube nicht.“
    „Der wurde kurz nach deiner Ankunft in Repuestos- West nach Süd versetzt. Aber er ist immer noch ganz, von dem konnten sie außer Blut noch nichts gebrauchen.“
    Theo schwenkte sein Gefährt um hundertachtzig Grad und rollte zur Tür hinaus in den Lilienpfad.
    Edmund flüsterte: „Immer noch ganz. – Mein Gott!“
    „Ziemlich abgebrüht, der ganze Haufen.“ Kohl rückte etwas näher. In meinem Alter etwa, schätzte Edmund und fragte: „Seit wann bist du denn hier und immer noch ganz?“
    „Seit über einem Jahr. Ich habe das große Los gezogen.“
    „Das große Los? Hier?“
    Kohl nickte, schluckte und spülte mit Kaffee nach.
    „Es gibt oben , genauer: in Kanada, einen reichen Knaben, der in großen Zeitabständen für seine Leber ein Stück von der meinigen braucht, die sich ja bis zur nächsten Entnahme immer wieder erholt. Solange der am Leben bleibt, und er ist noch jung, werde ich verhätschelt und gepäppelt und von Amputationen verschont. Der einzige Nachteil ist, man verwehrt mir die Gelassenheitsdroge und mein Gemüt hätte die nötig. Muss mich mit der Vorsuppe zufriedengeben. Hilft auch – aber nicht gut genug.“
    „Gibt es dafür einen besonderen Grund? Ich meine, dass man sie dir verwehrt?“
    „Zum Empfang des Wundermittels sind nur Krüppel und Herzampus privilegiert. Das Kontingent, das den Ärzten zur Verfügung gestellt wird, ist aufs Milligramm bemessen.“
    „Was weißt du über das Zeug? Ist es Epikur?“
    „Ich denke schon. Das pfeifen seit dem Zeitungsbericht die Spatzen von den Dächern. Du hast also auch den Bericht in der Main-Post gelesen. Mir war da sofort klar, dass die hier Epikur 254 einsetzen. Früher stellte man die Opfer mit den üblichen Mitteln ruhig, mit unschönen Ergebnissen.“
    „Und warum möchtest du Epikur 254 für dich?“
    „Das fragst du wirklich? Ich werde zwar nicht zerstückelt, aber das Elend um mich herum macht mich fertig. Was in dieser Schlachterei geschieht, das überfordert das seelische Fassungsvermögen. Das auf die Dauer zu ertragen – dazu gehört etwas, was ich nicht habe oder nicht genug davon. Kaltschnäuzigkeit oder Abgebrühtheit. Außerdem, mit Epikur wird man die Sehnsucht los, das Heimweh und so weiter – aller Ballast wird von der Seele weggeblasen.“
    „Du willst das loswerden? Bist du danach noch du?“
    „Gute Frage. Zweifel sind erlaubt. Epikur rückt alles fern. Familien, Freunde, alles, was einem oben lieb und teuer war, einen selbst vielleicht auch. Man verspürt keinen Wunsch mehr nach Heimkehr. Nach nichts von der ganzen Welt, aus der man kam. Alle, die ich kenne, sind auf erschreckende Art zufrieden.“
    „Ich will das Zeug für mich nicht, egal, was geschieht, ich will ich bleiben mit all meinen Sehnsüchten und Wünschen, selbst unter Seelenqualen.“
    „Das ist falsch. Halt! Ich muss mich korrigieren: Ich halte das für falsch. Überleg dir das gut. Solange du selbst bist, bist du dir lieb und wert und wichtig. Und solange das so ist, leidest du infernalisch an Verlusten, die man dir zufügt. Du bist Gefangener maßloser Trostlosigkeit. Als anderer bist du durchaus imstande, Umstände zu missbilligen, doch sie berühren dich nicht, fressen dich nicht auf. Du siehst sie aus der Fremdperspektive und freust dich über jeden zerlegten Hummer auf deinem Teller und über jedes Glas Wein, das in Süd zu den Mahlzeiten erlaubt ist, über die Musik, die Konzerte, die Theaterstücke, du nimmst an Glücksspielen teil und an Diskussionen, gehst ins Kino, genießt das faule Leben in Luxus, Verschwendung und

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