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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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nächste Restaurant.“
    Am Ende der Amselgasse drang aus einem Haus Orgelmusik, als eine Frau herauskam und die Tür hinter sich schloss. Sie blickten einander verwundert an, gingen in dieses Haus und trafen zu ihrem Erstaunen auf einen Kirchensaal, in dem ein Gottesdienst stattfand. Die Gemeinde sang soeben, von der Orgel begleitet, „… kommet zuhauf, Psalter und Harfe, wacht auf, lasset den Lobgesang hören.“ Als der Pfarrer zur Predigt ansetzte mit wiederum „Lobet den Herrn und …“, ergriff Edmund Angelas Arm und zog sie zur Tür. Schnell verließen sie den Gottessaal und bogen in den Kamelienpfad ein. Angela konnte sich nicht erklären, was mit ihm los war. Hatte ein Dämon ihn erschreckt oder der wahrhaftige Gottseibeiuns? Die Fragen standen so prägnant in ihrem Gesicht, dass er darauf antwortete: „Den Herrn loben? Lobgesang hören lassen?“ Er war empört und außer Atem. „Habe sowieso die allergrößte Mühe, nicht den Rest meines Glaubens zu verlieren – da hat mir solcher Hohn gerade noch gefehlt.“ Angela musterte ihn verwirrt.
    „Aber …“
    „Kein Aber, für mich nicht. Wenn du zurück möchtest, bitte sehr, ich warte hier draußen auf dich.“
    „Auf keinen Fall, außerdem bin ich hungrig.“
    „Gut. Wohin?“
    „Am nächsten von hier ist der ‚Palmenhof‘, wenn mich nicht alles täuscht.“
    „Okay, zum ‚Palmenhof‘. Kennst du den Weg?“
    „Ja. Bin heute dran vorbeigekommen, als ich mich in der Ambulanz nach deinem Befinden erkundigte.“
    „Ach ja?“
    „Na ja. Ich denke, ich bin es meinem alten Schulfreund Gustav schuldig, mich ein wenig um dich zu kümmern, wenn es dir schlecht geht. Wie heute morgen.“
    Sie passierten einen Friseursalon, eine Bonbon- und Pralinenboutique, bogen in die Elstergasse ein und statteten einer Ausstellung mit Aquarellen von Künstlern aus Repuestos einen kurzen Besuch ab.
    „Fantastisch!“, begeisterte sich Angela, als sie die Galerie wieder verließen, die Tür an Tür zum „Palmenhof“ lag. „Die Bilder hier muss ich mir mal in Ruhe und ohne knurrenden Magen ansehen – das sind ja ganz erstaunliche Blätter.“
     
    Im Restaurant fasste Edmund Angela am Ellenbogen und steuerte mit ihr den hintersten Tisch an, nahe der blauen Tür. Er wollte diese unbedingt in näheren Augenschein nehmen. Trotz der vielen Menschen im Raum herrschte Stille, es wurde nicht einmal geflüstert. Leises Klirren der Bestecke auf den Tellern war das einzige Geräusch. Edmund nahm die Magnetverriegelung ins Visier und erkannte sofort das Toga-System, wie er es in Erinnerung hatte.
    Edmund entschied sich für das gleiche Gericht wie gestern mit dem festen Vorsatz, es diesmal auch zu verzehren, denn seine Kräfte begannen, ihn zu verlassen. Angela wollte nur eine Platte gemischten Salat.
    „Dein alter Schulfreund hat demnächst Gelegenheit, sich für deine Fürsorge zu bedanken.“
    „Wie das?“ Edmund winkte dem Keller.
    „Man plant, Gustav ebenfalls hierher zu verschleppen.“
    „Wer sagt das?“
    „So eine komische Zeichentrickfigur auf dem Schirm meines Monitors. Meine Unterkunft besteht aus einer Doppelkajüte, pardon, Doppelkemenate. Das hat mich schon gewundert. Jetzt ist mir klar: Der Plan, uns beide hier unterzubringen, stand schon vor meiner Entführung fest.“
    Edmund schnaubte. „Wusste ich‘s doch von Anbeginn: Wir sind keine Zufallsopfer, sondern Auserwählte. Aber nach welchen Kriterien?“
    Der Kellner nahm die Bestellung auf.
    „Wann soll Gustav eintreffen?“
    „Den Tag nannte die Figur nicht.“
    „Logisch. Die müssen warten, bis er ihnen in die Falle geht. Und, freust du dich?“
    „Die Frage ist unfair. Die Antwort übrigens auch, denn sie lautet ganz spontan egoistisch: Ja. Im Grunde aber Nein. Ich wünschte ihm, er bliebe daheim – wir hier, wir sind doch verloren!“
    Sie sah ihn herausfordernd an, mit einem Schimmer Hoffnung auf Widerspruch in ihren Augen. Er musste sie enttäuschen: „Sieht ganz danach aus. Es sei denn, es geschieht ein Wunder. Und dennoch kann ich das alles noch nicht glauben. Warten wir, was wir am Mittwoch erfahren. Du bist doch auch in dieses Forum eingeladen, oder?“
    „Ja. Und sehr darauf gespannt, was sich da auf uns zu wälzt. Bei meiner Ankunft hat mich eine Österreicherin in Repuestos herumgeführt und ...“
    „Entschuldige, dass ich dich unterbreche. Kanntest du die von oben ?“
    „Nein. Hab sie hier zum ersten Mal gesehen. Sie erwartete mich mit ihrem dicken Bauch im Rosengarten ,

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