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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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Katakombenort macht mich meschugge“, sagte Gustav. „Hier können wir nicht bleiben und hier werden wir nicht bleiben – aber jetzt freue ich mich erst mal, dass wir zusammen sind, und ich freue mich auf ein ordentliches Essen und danach bin ich imstande, dir zuzuhören, und vor allem, klar zu denken.“
    Von Angela fiel einen Atemzug lang die Bedrückung ab, wich einer rosaroten Wolke, die Gustav ausbreitete – und die sofort zerplatzte, als ihr Verstand wieder einsetzte.
    „Gustav!“, rief sie schrill. Er sah sie erschrocken an. „Gustav, wir befinden uns in einer ausweglosen, in einer furchtbaren Situation. In Klauen von Verbrechern, die wir nicht mal zu Gesicht bekommen. Wir können uns nicht gegen sie wehren, nicht einmal mit ihnen verhandeln. Wir haben nach ihrer Pfeife zu tanzen. Zuwiderhandlungen werden hart – ich glaube sogar, mit dem Tode – bestraft. Die Menschen, denen wir begegnen, sind Gefangene in Repuestos . Und niemand kommt je wieder hier heraus …“ Angela hielt inne, um durchzuatmen. „Wir Neue werden in alles erst noch eingeweiht. Die Leute reden nicht darüber, man bekommt von den Alteingesessenen nur zur Antwort, dass man alles noch früh genug erfahre, bis dahin solle man essen, trinken, schlafen, den Befehlen folgen, die über Lautsprecher und Monitore kommen, man solle sich ruhig und unauffällig verhalten, weil man ansonsten seine Lage verschlimmere. Nachher müssen wir durchs Dorf. Ich soll dir alles zeigen, bevor wir uns in unsere Kemenate begeben, so heißen die Unterkünfte hier. Glücklicherweise sind wir dort wenigstens unbeobachtet, im Gegensatz zu jedem anderen Quadratmeter in diesen Katakomben, in denen wir uns auf Schritt und Tritt unter Videoüberwachung bewegen.“
    Es trat eine Pause ein. Sie sahen einander stumm in die Augen. Gustavs Zuversicht schrumpfte zusehends.
    „Was will man von uns, was hat das alles zu bedeuten?“
    „Nichts Gutes, wie du dir denken kannst. Aber ich habe keine Ahnung. Wir werden es erst am Mittwoch erfahren, im Forum, wo wir uns morgens einzufinden haben … Übrigens, ein Schulfreund von dir – wir sind ihm mal auf der Hauptwache begegnet – ist auch hier. Seit vorgestern. Auch er denkt, dass wir hier nie wieder rauskommen, wenn nicht ein Wunder geschieht.“
    „Auf der Hauptwache? Welcher Schulfreund?“
    „Ich hab´ den Namen vergessen“, log sie, um der Begegnung einen Anstrich von Unwichtigkeit zu geben, denn Gustav war eifersüchtig und unberechenbar.
    „Du sagtest damals, er sei Lehrer an einem Gymnasium. Hellmann-Schule, glaube ich.“
    „Ach, Edmund! Ja, stimmt, jetzt fällt es mir wieder ein, wir trafen ihn vorm Kaufhof. Edmund Konrad. Und der ist auch hier? Können wir ihn treffen?“
    „Oh ja. Er wohnt uns gegenüber, in einer Einzelkemenate, in der Nummer hundertdreiundzwanzig. Unsere Doppelkabine – äh – Kemenate hat die Nummer hundertvierundzwanzig.“
    „Kemenate. Wir wohnen also in einer Kemenate. Bewohnten nicht ehemals Burgfräuleins solche Räume?“
    „Ich glaube kaum, dass diese Zellen Ähnlichkeit mit deren Gemächern haben.“
    „Zellen?“
    Der Kellner kam zurück.
    „Haben Sie gewählt?“
    „Was gewählt? Ach so, ja, ich meine, nein, ich möchte nichts essen, ich habe keinen Appetit. Halt! Doch, eine Tasse Fleischbrühe bitte und ein Glas Mineralwasser“, erwiderte Angela.
    „Dasselbe gilt für mich“, sagte Gustav. Sein Appetit war wie weggeblasen.
    „Wie Sie wünschen.“ Der Kellner räumte die Gedecke ab.
    „Ja“, sagte Angela, „so ist es“, und beschrieb ihm die Zelle. Er hörte aufmerksam zu und fragte:
    „Mit nichts drin? Kein Schrank, keine Kommode …“
    „Braucht man nicht. Ich schildere dir unterwegs, wie hier alles läuft. Wir machen uns gleich auf den Weg.“
    „Da kommt unsere Brühe – und das Wasser. Mein Mund ist wie ausgetrocknet.“
    Sie tranken das Wasser und schlürften die Bouillon. Gustav langte automatisch zur Brusttasche, die es in dem weißen Overall nicht gab, so wenig wie die Brieftasche, und stotterte verlegen: „Ich weiß nicht einmal, womit ich jetzt bezahlen soll, meine Sachen sind …“
    „Beruhige dich. Mit nichts. Hier zahlt man nichts, weder fürs Essen noch fürs Trinken noch für sonst irgendwas. Hier brauchst du kein Geld. Du kannst haben, was du willst, und musst nichts bezahlen.“ Bitter fügte sie hinzu: „Wir führen ein absolut sorgenfreies Leben. – Komm, ich muss dir nun das Dorf zeigen.“
    Die Führung nahm gut zwei Stunden

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