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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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war es totenstill. Plötzlich hörte er ein Surren, drehte sich jäh um und sah, dass sich die Leiter nach oben einzog. Er wollte den Vorgang stoppen und griff nach der untersten Sprosse, als sie schon mannshoch vom Boden entfernt war. Das eiserne Gestell stand unter Strom, nur schwach, doch er zog reflexartig die Hand zurück und in der nächsten Sekunde war die Sprosse nicht mehr zu greifen. Der Raum füllte sich mit dichtem, gelbem Nebel. Gustav überkam bleierne Müdigkeit. Er sank zu Boden und schlief ein.
    Als er mit brennenden Augen aufwachte, dauerte es eine Weile, bis er sich zurechtfand. Der Nebel war fort, die Luft sauber und rein. Er richtete sich zum Schneidersitz auf und starrte auf seine Armbanduhr. Das konnte nicht stimmen. Er schloss die Augen und öffnete sie erneut, die Uhr zeigte immer noch Montag an, Montag, viertel nach elf! Er hatte zweiundzwanzig Stunden geschlafen! Er sah sich in dem weiß getünchten Raum um und entdeckte an der Decke die quadratische Falltür mit der hochgezogenen Leiter.
     
    Die Stimme aus dem Lautsprecher erscholl – lenkte ihn den Weg aller Repuestos -Opfer.
     
     
    Ein Zyklop balancierte Angela auf der flachen Hand und zog an der Strippe, um seinen Diener herbeizurufen, damit er einen Käfig für sie fertige. Die Glocken gellten schrill durch die Höhle, Angela fuhr in die Höhe und saß senkrecht auf der Liege ihrer Kemenate. Sie empfand Dankbarkeit für den Weckalarm in Repuestos, der noch immer schrillte, und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Die Lagerklingel verstummte, der blaue Knopf pulsierte. Der Monitor wies sie an, Kanal drei wieder einzuschalten und abzuwarten. Prompt stellte sich die morgendliche Übelkeit ein.
    Um acht klopfte Ferdinand an ihrer Tür mit einem Frühstückstablett aus seinem Bistro. Kaffee, belegte Brötchen, eine Schale Obst. Er sagte nur Guten Morgen und: „Ich hole das Geschirr später wieder ab. Ich möchte mich gern mit Ihnen unterhalten, aber es wurde mir strengstens untersagt. Tschüss“, und schon war er wieder draußen. Der Kaffee tat ihr gut nach dieser Nacht, in der sie mehrfach aus wüsten Träumen erwacht war und sich von einer Seite auf die andere gewälzt hatte, ohne die Augen zuzukriegen. Sie verzehrte die Hälfte eines belegten Brötchens und starrte auf den Bildschirm. Die Anweisung ließ auf sich warten, und als sie endlich erschien, bekam Angela einen Weinkrampf. Ob aus Freude, aus Wut oder Trauer, wusste sie nicht. Sie sollte im Restaurant „Rosenstube“ auf Gustav warten, der in wenigen Minuten dort eintreffen würde.
     
    Gustav stand Angela gänzlich verwirrt gegenüber. Sie gab dem Impuls, sich an seine Brust zu werfen und loszuheulen, nicht nach. Ich muss reden, dachte sie, irgendetwas sagen, eh dass ich in Stücke zerspringe. Sie streckte ihm die Hände entgegen, stammelte: „Du bist also auch hier. Wie bist du heruntergekommen?“ Er erschrak über ihre Stimme und dann über seine eigene, die krächzte: „Ja. Warte einen Moment. Ich bin noch wie betäubt.“
    Sie setzten sich, sahen einander in verzweifelter Traurigkeit in die Augen, bis Gustav schleppend zu erzählen begann und die Ereignisse bis zu jenem Augenblick schilderte, da er durch die schwere Eisentür dieses Lokal betreten hatte. „Jedenfalls hat der abscheuliche Mensch Wort gehalten und mich zu dir katapultiert.“
    Das ist es, was zählt, dachte er, alles Weitere wird sich fügen. Er ignorierte das gespenstische Raunen im Saal, fühlte sich für die hinter ihm liegenden Strapazen belohnt, nahm ihre Hand in beide Hände und war glücklich.
    „Mein Gott, Gustav! Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen kann!“
    „Ich aber, ich freue mich. Du wirst sehen, jetzt wird alles wieder gut. Was ist das hier? Wo sind wir? Und wie bist du hierher geraten.“
    Sie haspelte die Antworten zu den drei Fragen im Galopp herunter:
    „Goldener Käfig, acht Stockwerke unter der Erde, unter Betäubung.“
    Die aufgeschlagene Menükarte, die der Kellner in diesem Augenblick gebracht hatte, entlockte Gustav einen kurzen Pfiff. Er entschied sich für eine Schildkrötensuppe und die Nummer neun: Rehrücken an Pfifferlingen, Kastanienpüree, Bouillonkartoffeln und Brokkoli.
    „Und du? Was nimmst du?“
    „Eine klare Brühe, nichts sonst, ich bin zu aufgeregt.“
    „Vergiss nicht, du musst für zwei essen.“
    Gustavs Unbekümmertheit tat ihr gut. Mehr und mehr Gäste fanden sich ein und bald waren alle Tische besetzt.
    „Die Stimmung in diesem

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