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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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Restaurantküche eine Großküche mit Brot- und Kuchenfabrik befand, die alle Bistros und Cafés belieferte. Gerd, Edmunds Schüler, hatte hier in seiner Anfangszeit drei Wochen als Packer gearbeitet. Der Hinterausgang führte in den sogenannten Handelshof mit der Großverteilerstelle von Obst und Gemüse. Der Hof war außerdem das Auffanglager der Lebensmittel aus der Oberwelt.
    Sie setzten sich an den erstbesten Vierertisch, da stob Edmund herein und zielsicher auf sie zu. Aufgeregt, aufgebracht gar, rief er mit fuchtelnden Armen:
    „Stellt euch vor – nee, seht selbst, bitte kommt kurz mit in die Bücherstube, gleich an der Ecke gegenüber, nur zwei Minuten, wir kommen gleich wieder hierher, ich bitte euch, seht selbst, nein, lest selbst … Ich kann das nicht aussprechen, ich krieg´ keine Luft!“
    Neugierig glichen sie ihr Tempo seinen Schritten an und sofort tönte es über ihren Köpfen:
    „ Wandeln! “
    Erschrocken legten sie die restlichen Meter bis zum Lesezimmer langsam zurück. Konrad nahm einen Armvoll Zeitungen vom Ständer und breitete sie hektisch auf dem Lesepult aus. Die Blätter berichteten ausführlich von einem Mord an einem Schüler der Hellmann-Schule, den man in der Besenkammer des Schulgebäudes erschlagen aufgefunden hatte, als er bereits drei Stunden tot war. Unter einem der Berichte prangte Edmund Konrads Passbild. Darunter stand sein Name und daneben war zu lesen:
     
    Der Schüler Hans Scholz war zuletzt mit seinem Lehrer zusammen, dem Studienrat Edmund Konrad. Von diesem fehlt seitdem jede Spur. Die Polizei bittet die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche nach dem Mann auf dem Foto, es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei ihm um den Mörder des Jungen handelt.
     
    „Das ist der Gipfel der Niedertracht?“ Seine Stimme bebte.
    „Mann, Edmund! Das ist großartig!“, rief Gustav so laut, dass alle Leute sich nach ihm umdrehten. Gedämpft fuhr er fort: „Überleg mal, die Polizei sucht nach dir! Hunderte von Beamten suchen nach einer Spur von dir! Aufwendiger, flächendeckender geht’s gar nicht! Vermisstenanzeigen sorgen in der Regel kaum für Aufregung, nach dem Motto ‚Ah, wieder einer von seinem Weg zum Briefkasten nicht zurückgekommen‘. Ich kann mir im Moment für uns alle nichts Besseres vorstellen! Am Ende finden sie dich, damit uns und der Laden fliegt auf! Und der absurde Mordverdacht gegen dich löst sich sowieso in Luft auf.“
    Da war was dran. Edmunds Ärger verebbte langsam.
    „Soweit ich mich erinnere, hast du doch einen pfiffigen Bruder als Detektiv. Der ist bestimmt ohnehin auf der Suche nach dir und jetzt hat er noch die Polizei auf seiner Seite.“
    „Der ist in Spanien. Für drei Wochen. Bis er zurückkommt, sind keine Spuren mehr zu finden.“
    „Da unten gibt’s unsere Zeitungen auch. Der ist ganz schnell zurück, wenn er die liest.“
    „Wenn Konrad urlaubt – kommt selten genug vor – verzichtet er auf den Ärger, den es täglich in der Presse zu lesen gibt. Davon abgesehen wird es ihm selbst mit Tausenden von Polizisten nicht gelingen, uns aufzuspüren. Hast du eine Vorstellung davon, wie tief wir hier vergraben sind?“
    „Eine Vorstellung nicht. Eine Ahnung schon. Ich denke, so vier oder fünf Stockwerke tief.“
    „Acht. Acht sind es“, sagte Angela zur Überraschung der beiden, „aber nur die zwei unteren sind ausgebaut, dieses hier und eines über uns mit den technischen Anlagen. Darüber ist nichts als unbeschädigte Erde bis auf die Luft- und Aufzugsschächte. Ich weiß es von Dr. Richter.“
    „Acht. Das stimmt mit Gerds Schätzung überein“, sagte Edmund. „Er sprach von etwa dreißig Metern Tiefe.“
     
    Im „Tulpenkorb“ herrschte die übliche Repuestos -Atmosphäre in bekannter weiß-blauer Ausstattung. Allerdings servierten hier Kellnerinnen. Sie trugen weiße Blusen und blaue Hosen und waren ebenso traurig wie ihre Kollegen in den anderen Restaurants, ebenso traurig wie die Gäste. Traurig wie alle Menschen hier unten.
    „Der Schlamassel, in dem wir stecken, ist perfekt.“
    „Aus dem wir schnellstens heraus müssen“, antwortete Gustav, „und zwar ehe wir alle ‘ne Meise haben, unser Hirn nicht mehr funktioniert.“
    „Ich habe gehört, dass diese Hölle bereits vor zwanzig Jahren eingerichtet worden ist. In der ersten Zeit soll es nur – nur! – zehn bis zwanzig Opfer pro Jahr gegeben haben, bald wurden es mehr und mehr und seit einem Jahr steigt die Zahl steil an. Was meinst du wohl, wie viele

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