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Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)

Titel: Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marianne Reuther
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sind mitunter übertrieben, heute jedoch unüberbietbar. Du weißt, dass ich Dir alles nachsehe, aber mit Rücksichtslosigkeit kann ich nicht umgehen. Und als rücksichtslos empfinde ich, wenn Du mich an einem Tag wie heute im Falle solcher Verspätung nicht anrufst und auch noch dein Handy ausschaltest.
    Dr. Leitmeier hat sich entschieden, meine ‚Mainhatten-Skyline‘ zu behalten, die ich ihm zur Probe überlassen hatte, und mir den Betrag mit einem Strauß weißer Rosen überbracht. Er ist so freundlich, mich jetzt ins Volkstheater zu begleiten. Hoffentlich treffe ich dich hier an, wenn ich zurück bin. Ich bin sauer, aber ich liebe dich. Marion.“
     
    Der letzte Satz ging ihm wie ein Stich in die Brust. Am liebsten hätte er jetzt das Handy genommen und in tausend Stücke zertreten. Sich selber gleich dazu. Das Theater hatte er total vergessen, obwohl er die Karten zu „Schweig, Bub!“ selbst besorgt hatte. Er sah auf die Uhr. Die Aufführung begann gerade jetzt. Wütend über sich beschloss er trotz des Bärenhungers auf Marion zu warten, ohne sich einen Bissen zu gönnen. Zur Strafe. Er ging dem verlockenden Bratenduft aus dem Weg und setzte sich auf den Balkon. Der Abend war kühl und er fror.
    Die Abendkälte wich von ihm, als Marion vor ihm stand.
    „Dummkopf, du hast wirklich was versäumt, das Stück war hinreißend!“
    „Marion, ich …“
    „Schweig, Bub!“, fiel sie ihm ins Wort und umarmte ihn. Wenig später, unter der Daunendecke, wurde es warm und heimelig. Fünf Stunden lang. Dann schrillte das Telefon. Das, das auf der Kommode stand, das mit der lauten Klingel. Das, zu dem man aufstehen musste, wollte man es abschalten oder dem Störenfried antworten. Raabe unterbrach den Lärm und meldete sich. Mit schlaftrunkener Stimme „Was ist denn jetzt wieder los?“ drehte Marion sich auf die andere Seite und hörte, halb ins Traumland zurückgekehrt, den ihr allzu bekannten Satz: „Bin schon unterwegs.“
     
    Der Morgen graute über der Stadt. Der Tote lag am Fuße der Europabrücke im Gras am Südufer des Mains. Der falsche Mensinger hatte mitten in der Stirn ein Loch. Raabe fühlte in diesem Fall kein Mitleid, er war zornig. Von dem erfuhren sie nichts mehr. Der Arzt erhob sich und nickte ihm zu.
    „Ich schätze, seit drei bis vier Stunden“, sagte er auf Raabes stumme Frage, „die Kugel steckt im Kopf, er war tot, ehe er ins Wasser geworfen wurde. Mehr ... Na, Sie wissen ja.“
    „Klar. Und wann?“
    „Heute Nachmittag, denke ich.“
    „Wann ungefähr ist der Tod eingetreten?“
    „Vor fünf bis sieben Stunden. Mit Betonung auf ungefähr.“
    Dr. Luchs eilte zu seinem Wagen. Die Kollegen von der Spurensicherung trafen ein. Raabe drehte sich zu den beiden Polizisten vom zehnten Revier um, die wenige Minuten nach der telefonischen Meldung am Tatort eingetroffen waren, und fragte: „Wer hat ihn gefunden – und wo?“
    „Ein Freizeitkapitän und seine Frau sahen ihn von ihrem Kajütboot aus in den Wellen schaukeln und riefen uns an. Er war am Brückenpfeiler hängen geblieben, seine Kleidung hatte sich an einem Stück Moniereisen verfangen. Sie kommen vom Bootssteg Speck, gegenüber von Höchst, und wollen bis zur Gerbermühle, haben jetzt erst mal hundert Meter flussabwärts ihr Boot festgemacht. Der Kollege ist dort und nimmt die Personalien auf.“
    Raabe kniete sich neben den Toten und durchsuchte seine Taschen. Sie waren leer. Er hatte es nicht anders erwartet. Mit grimmiger Miene drehte er ihn auf den Bauch, um die Gesäßtaschen zu durchsuchen. Jetzt drangen die Worte des Polizeimeisters in sein Bewusstsein und er fragte:
    „Welcher Kollege?“
    Mittlerweile hielt oben der Transporter an, zwei Männer kamen mit dem Blechsarg die Böschung herunter.
    „Ihr Assistent – da kommt er.“
    Raabe schnellte hoch. Sein finsterer Blick verwandelte sich in Freudenstrahlen, als er sah, wer da auf ihn zukam. „Ist das wahr? Ferdinand Müller!“, rief er und schüttelte dem Kollegen, der sich auf einen Stock stützte, die linke Hand.
    „Seit wann bist du wieder im Dienst?“
    Vor einem halben Jahr war Ferdinand Müller von einem Baugerüst gestürzt, als er seinem Schwager beim Verputzen von dessen Hausfassade half. Oberschenkelbruch.
    „Seit heute. Ich habe mich gestern kurz vor Dienstschluss bei Mandel zurückgemeldet. Meine Rehazeit wäre sowieso in ein paar Tagen zu Ende. Ich fühle mich fit und ich habe mitgekriegt, dass der Job bei dir vorübergehend vakant ist. Mandel war

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