Repuestos: Kolonie der Verschleppten (German Edition)
im Kopf ... Ein des Mordes Verdächtiger muss schnellstens hinter Schloss und Riegel.“
Henneberger ließ ihn endlich eintreten.
„Schießen Sie los, knapp und präzise, wenn ich bitten darf – ich habe Kopfschmerzen.“
Sie standen sich im Flur gegenüber wie zwei Kampfhähne, von feinem Duft umflort – Chanel Nr. 5 oder so ähnlich. Zwei elektrische Kerzen links und rechts des Garderobespiegels tauchten einen seidenen Schal mit goldenen Kügelchen an den Spitzen seiner Fransen und eine Kunstpelzjacke in gelbes Licht. Ein Paar hochhackiger Pumps aus rotem Lackleder glänzte in der Ecke neben dem Schirmständer, einfach so dahingeschnickt.
„Der mir zugeteilte Kommissar Mensinger aus Wiesbaden ist nicht in unserem Polizeipräsidium angekommen. Dafür ein Mann, der vorgibt, Mensinger zu sein. Das Schicksal des Kommissars ist ungewiss. Es muss mit dem Schlimmsten gerechnet werden.“
Das riss den Richter aus seinem Phlegma. „Kommen Sie, kommen Sie!“, rief er und wuselte Raabe voran in sein Arbeitszimmer, lud ihn mit einer Handbewegung ein, sich zu setzen, zog eine Schublade auf und entnahm ihr ein Formular. „Und Sie können einwandfrei beweisen, dass dieser Mann nicht Mensinger ist?“
„Wir haben eine verlässliche Zeugin.“ Raabe berichtete.
„Aha. Das reicht aus.“
Er stellte zu Raabes Überraschung ohne weitere Fragen den Haftbefehl aus. Auf
„eine dem Hauptkommissar Raabe vom Ansehen her bekannte Person, wohnhaft in Frankfurt am Main, Rennbahnstraße 24 bei Familie Forst; Name unbekannt; nennt sich Mensinger. Der Spionage, Amtsanmaßung und Amtsausübung unter falschem Namen schuldig – und des Mordes verdächtig.“
Henneberger unterschrieb, reichte Raabe das Dokument, veranlasste das zehnte Revier, für Raabe einen Polizisten verfügbar zu halten und komplimentierte den Hauptkommissar genervt aus der Wohnung. Der freute sich seines schnellen Erfolges, so flott hatte er noch nie eine richterliche Verfügung von Henneberger erwirkt.
Treppab beschäftigte ihn aufgeräumt die Frage, ob sein Auftreten und Argumentieren so gut waren oder ob der Richter es besonders eilig hatte, ihn loszuwerden – schließlich waren seine „Kopfschmerzen“ konkret von femininer Gestalt. – Auf dem Weg nach Niederrad informierte er Direktor Mandel und handelte sich einen Anraunzer ein, weil er ihn nicht vor dem Richter informiert hatte. „Sie nehmen den falschen Mensinger in Gewahrsam und erstatten mir sofort Meldung!“, schnarrte er und knallte den Hörer auf. Wär ich nie drauf gekommen, räsonierte Raabe im Stillen.
Das zehnte Revier befand sich in der Goldsteinstraße, nicht weit von der Wohnung des Festzunehmenden entfernt. Raabe holte Polizeimeister Strebig, der ihn schon erwartete, ab und fuhr mit ihm zur Rennbahnstraße. Hier stand der Hauptkommissar der nächsten Überraschung gegenüber. Abgereist. Der falsche Mensinger war abgereist.
„Ganz plötzlich. Hals über Kopf. Zu seiner Mutter nach Hamburg. Die wurde bei einem Autounfall lebensgefährlich verletzt“, sagte Frau Forst.
„Aber sein Wagen steht doch drüben auf der anderen Seite der Straße.“
„Jaja! Ein Freund hat ihn abgeholt – oder eine Freundin, so genau weiß ich das nicht.“ In einer Hand hielt sie ein weißes Tuch, eine Serviette oder Ähnliches, mit der anderen fuhr sie sich durch ihre schwarzen, glänzenden Locken.
„Haben Sie gesehen, mit was für einem Auto?“
„Du lieber Gott, nein, ich bin net mit zur Haustür gegange, um ihm hinterherzugucke, ich war gerade beim Bügeln.“
„Falls er zurückkommt oder sich von irgendwo meldet, rufen Sie mich bitte gleich an – egal, zu welcher Tageszeit.“
„Was heißt falls? Meine Sie denn, der kommt net mehr zurück?“
„Wer weiß das? – Ich nicht.“
„Du liewer Gott, wie komm ich da zu meim Geld? Eine ganze Monatsmiete!“
Raabe zuckte mit den Schultern, bedankte sich und sagte Auf Wiedersehen. Frau Forst sah den Beamten konsterniert hinterher und schloss die Vorplatztür erst, als sie außer Sicht waren.
Raabe holte treppab sein Handy hervor – und fluchte. Er hatte es nach dem Telefonat mit Mandel abgeschaltet wie so oft! Wenn nun Marion inzwischen versucht hatte, ihn zu erreichen … Er musste sie gleich anrufen, doch zuerst Mandel und ihm das Desaster melden, damit der schnellstens die Fahndung in die Wege leiten konnte. Das Gespräch verlief frostig. Er hatte es nicht anders erwartet. Und Marion ging nicht ans Telefon. Er seufzte
Weitere Kostenlose Bücher