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Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition)

Titel: Requiem (Amor-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lauren Oliver
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meiner Mutter, platzt ins Zimmer. »Oh!«, sagt sie und bleibt stehen. Ihr Gesicht läuft rot an, als sie Fred und mich erblickt. »Herr Bürgermeister«, sagt sie. »Ich wollte nicht stören …«
    »Sie stören nicht«, sagt Fred. »Ich wollte sowieso gerade gehen.«
    »Wir waren verabredet«, fügt Debbie unsicher hinzu. Sie sieht mich an. Ich wische mir mit einer Hand über die Augen; sie wird feucht. »Wir wollten über verschiedene Frisuren für die Hochzeit sprechen … Ich habe mich doch nicht in der Uhrzeit geirrt, oder?«
    Die Hochzeit. Sie kommt mir jetzt absurd vor, ein schlechter Scherz. Das ist mein vorgezeichneter Weg: neben diesem Ungeheuer, das in einem Moment lächeln kann und mir im nächsten die Kehle zudrückt. Ich merke, wie mir erneut Tränen in die Augen steigen, und drücke meine Handballen auf die Augenlider, um sie zurückzudrängen.
    »Nein.« Meine Kehle ist rau. »Sie kommen rechtzeitig.«
    »Ist alles in Ordnung?«, fragt Debbie mich.
    »Hana leidet an Allergien«, entgegnet Fred aalglatt, bevor ich Gelegenheit habe zu antworten. »Ich habe ihr schon hundertmal gesagt, sie soll sich ein Rezept besorgen …« Er streckt die Hand nach mir aus und drückt meine Finger – zu fest, aber nicht so fest, dass Debbie es bemerken könnte. »Sie ist ganz schön stur.«
    Er lässt mich los. Ich halte meine schmerzenden Finger hinter den Rücken, wo ich sie beuge und strecke, während ich immer noch gegen die Tränen ankämpfe. »Wir sehen uns morgen«, sagt Fred und lächelt mich an. »Du hast doch die Cocktailparty nicht vergessen, oder?«
    »Die habe ich nicht vergessen«, sage ich, ohne ihn anzusehen.
    »Gut.« Er durchquert das Zimmer. In der Eingangshalle fängt er an zu pfeifen.
    Sobald er außer Hörweite ist, plappert Debbie los. »Sie haben so ein Glück. Henry – das ist mein Partner, wissen Sie – sieht aus, als hätte ihm ein Felsbrocken das Gesicht zerquetscht.« Sie lacht. »Aber er passt gut zu mir. Wir sind große Anhänger Ihres Ehemanns – oder Ihres zukünftigen Ehemanns, besser gesagt. Große Anhänger.«
    Sie legt einen Föhn, zwei Bürsten und eine Plastiktüte mit Haarklammern nebeneinander auf die Danksagungen und die Fotos, die sie nicht bemerkt hat. »Wissen Sie, Henry hat Ihren Mann erst kürzlich bei einer Benefizveranstaltung kennengelernt. Wo ist bloß das Haarspray?«
    Ich schließe die Augen. Vielleicht ist das alles nur ein Traum – Debbie, die Hochzeit, Fred. Vielleicht wache ich gleich auf und es ist letzten Sommer oder der Sommer vor zwei Jahren oder vor fünf: bevor irgendetwas von all dem wahr wurde.
    »Ich wusste, dass er einen großartigen Bürgermeister abgeben würde. Hargrove senior war auch okay und er hat bestimmt sein Bestes gegeben, aber wenn ich ehrlich bin, fand ich ihn ein wenig zu weich. Er wollte sogar die Grüfte abreißen lassen …« Sie schüttelt den Kopf. »Meine Meinung ist: Begrabt sie dort und lasst sie verrotten.«
    Ich bin plötzlich hellwach. »Was?«
    Sie geht mit ihrer Bürste auf mich los und zieht und zerrt. »Verstehen Sie mich nicht falsch – ich mochte Hargrove senior. Aber ich glaube, er hatte von bestimmten Leuten eine falsche Meinung.«
    »Nein, nein.« Ich schlucke. »Was haben Sie danach gesagt?«
    Sie hebt mein Kinn energisch nach oben zum Licht und mustert mich. »Nun, ich finde, man sollte sie in den Grüften verrotten lassen – die Kriminellen, meine ich, und die Kranken.« Sie fängt an, mein Haar in Kringel zu legen, auszuprobieren, wie es fällt.
    Blöd, ich war so blöd.
    »Und dann denken Sie nur daran, wie er gestorben ist.« Freds Vater ist am 12. Januar gestorben, dem Tag der Zwischenfälle, nachdem die Bomben in den Grüften hochgegangen sind. Eine gesamte Fassade wurde sauber weggesprengt; die Gefangenen fanden sich plötzlich in Zellen ohne Wände und Höfen ohne Zäune wieder. Es gab einen Massenaufstand; Freds Vater kam zusammen mit der Polizei dort an und starb beim Versuch die Ordnung wiederherzustellen.
    Meine Gedanken kommen schnell und heftig, wie dicke Schneeflocken, die eine weiße Mauer bilden, die ich nicht überqueren oder umgehen kann.
    Blaubart hatte einen verschlossenen Raum, einen Geheimplatz, wo er seine Frauen versteckte … Verschlossene Türen, schwere Riegel, Frauen, die in steinernen Gefängnissen verrotten …
    Möglich. Es wäre möglich. Es passt. Es würde das Gutachten erklären und warum sie nicht im ZOFE -System war. Sie könnte ungültig gemacht worden sein.

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