Requiem für eine Sängerin
Ungereimtheiten, die wir aufklären möchten. Ich würde Ihnen gern ein paar Fragen stellen.»
«Selbstverständlich. Setzen Sie sich doch. Möchten Sie etwas trinken, eine Tasse Kaffee oder so?»
Er dachte an die Tasse auf seinem Schreibtisch, die er nicht angerührt hatte. «Ein Kaffee wäre schön, danke. Schwarz, ein Stück Zucker.» Zum ersten Mal schenkte er ihr ein Lächeln. Es war nur kurz und drang nicht bis in seine Augen vor, ließ aber sein ganzes Gesicht leuchten und ihn jünger aussehen.
«Es dauert nicht lange, machen Sie es sich gemütlich.» An der Tür blieb sie noch einmal stehen. «Aber eines begreife ich nicht. Derek, das ist Mr. Fearnside, hat mir gesagt, dass Sie solche Fälle nicht routinemäßig verfolgen, es sei denn, es gäbe besondere Umstände.»
«Das ist richtig; ich führe noch keine vollständige Ermittlung. Nur ein paar Fragen. Es wird nicht lange dauern.»
Deirdre Holt schaute skeptisch drein, schwieg aber.
Beim Kaffee, der überraschend gut schmeckte, ging Fenwick seine Routinefragen durch.
«Wann haben Sie Deborah Fearnside zum letzten Mal gesehen, können Sie sich erinnern?»
«Das muss am Freitag vor ihrem Verschwinden gewesen sein. Es war ein Montag, an dem sie nach London gefahren ist, oder? Ich habe sie am Freitagnachmittag gesehen, als sie meine Kinder vorbeigebracht hat – wir sind abwechselnd zur Schule gefahren, wissen Sie.»
«Hat sie sich irgendwie ungewöhnlich verhalten, was würden Sie sagen?»
«Nein, eigentlich nicht. Na ja, mir schien, sie war ein wenig aufgeregt.»
«Aber sie hat nichts gesagt?»
«Nein. Das hätte sie wohl auch nicht – zumindest nicht zu mir . Nicht unter den Umständen.»
Zum ersten Mal seit Beginn der Vernehmung sah Mrs. Holt ihn direkt an. In ihren hellblauen Augen lauerten ein Anflug von Selbstmitleid und eine Bitte um Mitgefühl.
«Welche Umstände, Mrs. Holt?» Fenwick senkte unwillkürlich die Stimme, und sein leiser schottischer Tonfall wurde strenger. Mrs. Holt wusste mehr, als sie zuzugeben bereit war. Er wollte wissen, was das war und warum sie sich so zugeknöpft gab.
«Sehen Sie», begann sie zögernd. «Ich war mit ihnen – Leslie und Debbie – bei dem Fotografen, aber mich haben sie nicht genommen.»
«Ich muss gestehen, das überrascht mich, wenn es Ihnen nichts ausmacht, dass ich das sage.»
«Danke.»
«Aber, Mrs. Holt, Sie wollen mir doch noch mehr sagen. Ich weiß, das ist nicht der einzige Grund, weshalb Debbie sich Ihnen an jenem Freitag nicht anvertraut hat.»
«Das wissen Sie? Wie kann das sein? Ich dachte, niemand wüsste es, aber ich fürchte … O Gott, muss denn alles ans Licht kommen?» Tränen traten ihr in die Augen, und sie blinzelte hastig, damit die Wimperntusche nicht verlief.
«Ja, zumindest mir müssen Sie es sagen. Sonst braucht es vielleicht niemand zu erfahren, das hängt davon ab, wie sich der Fall entwickelt.»
Was folgte, war eine kleine traurige Geschichte von vorstädtischer Untreue. Offenbar hatten sie und Derek Fearnside sieben Jahre lang ein lockeres Verhältnis gehabt. Es hatte während Deborah Fearnsides erster Schwangerschaft angefangen und war danach bei den sonderbarsten Gelegenheiten wieder aufgeflackert. Sie fuhr hin und wieder nach London, wo sie sich in Fearnsides Firmenwohnung trafen.
«Wie kam es überhaupt zu der Affäre, Mrs. Holt – und warum hat sie so lange gedauert?»
«Ich kann es wirklich nicht sagen. Ich glaube, angefangen hat es nur, weil Debbie während ihrer ersten Schwangerschaft gar nichts von Sex wissen wollte. Es ging ihr nicht besonders gut, und er mag schwangere Frauen sowieso nicht. Und ich für meinen Teil, Chief Inspector, ich mag Sex», sie sah ihm direkt in die Augen, «und mein Mann ist nicht gerade besonders feurig. Einmal pro Woche reicht ihm – mir hingegen ganz entschieden nicht.»
Sie sah ihn unter dichten Wimpern hervor eine Weile an. Sie hatte die Lippen geöffnet und strich sich mit der Zunge über die ebenmäßigen weißen Zähne. Obwohl die Geste deutlich einstudiert wirkte, übte sie eine seltsame Faszination auf Fenwick aus. Er sah das weiße T-Shirt und die Rundungen, die sich darunter abzeichneten, und plötzlich wurde ihm bewusst, wie lange es her war, dass er das letzte Mal mit einer Frau geschlafen hatte. Moniques quälende Krankheit und die Belastung, die Familie zusammenzuhalten, hatten jeden Gedanken an Vergnügen, gleich welcher Art, aus seinem Hirn verbannt.
Deirdre Holts unverhohlene Aufforderung hatte
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