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Requiem fuer einen Henker

Requiem fuer einen Henker

Titel: Requiem fuer einen Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jacques Berndorf
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brennen und schlichen uns so leise wie möglich auf den Hinterhof. Zwischen den Häusern war diesmal das Tor geschlossen. Wir mussten es überklettern, um die Parallelstraße zu erreichen, und brauchten lange, ehe wir ein Taxi erwischten. Wir ließen uns im Gudenauer Weg absetzen, weit vor der Diplomatenschule, vor dem Städtischen Altenheim Elisabeth, auch noch vor dem Kinderheim Maria im Walde - alles so ordentliche Institutionen, dass man sich das Ungeheure weniger denn je vorstellen konnte.
    »Hier riechen sogar die Bäume nach Nächstenliebe«, sagte ich. »Aber vielleicht lässt sich das Henken deshalb hier so sicher trainieren.«
    »Du bist zynisch«, sagte sie. »Wo ist diese Turnhalle?«
    »In dieser biblischen Finsternis müsste man sie an irgendeinem Licht erkennen. Also wahrscheinlich bei den beiden Lampen dahinten.«
    »Und wenn wir nicht rankommen?«
    »Dann bleibt uns nur das Gebet.«
    Wir nahmen den schmalen Weg zwischen dem Altenheim und dem Kinderheim hindurch, dann gingen wir tapfer, aber orientierungslos durch ein Waldstück und machten wahrscheinlich mehr Lärm als eine Herde Wildpferde in voller Flucht. Doch wir hatten Glück: Die Bäume lichteten sich bald wieder, und wir standen direkt vor dem kastenförmigen Gebäude mit den beiden halbblinden Lampen oben unter dem Flachdach.
    »Das ist sechs, acht Meter hoch. Da kommen wir nie rauf«, meinte die Baronin mutlos.
    »Rasputin hat gesagt, wir könnten uns das ansehen. Also können wir uns das ansehen.«
    Es war ganz einfach. An der uns abgewandten Stirnseite der Halle stand ein verhängtes Baugerüst - als habe Rasputin uns eine Loge gebaut. Wir kletterten hoch. Auf einem großen weißen Schild stand Verputz-Schulten-Bonn. Oben fanden wir zwei schmale Fenster, die ausgehängt waren. Abgesehen vom Rauschen des Windes in den Bäumen war es völlig still. Nur dumpf drangen ein paar schwer definierbare Laute aus dem Inneren der Halle. Es klang, als ob sie liefen oder sprangen.
    Die Baronin kniete sich vorsichtig hin und sah in die Halle hinunter. »Sie sind allein«, hauchte sie.
    »Pass auf die Reflexe der Objektive auf«, flüsterte ich zurück und blickte selbst hinunter. Die Halle lag übersichtlich vor unseren Augen. Reimer und Strahl standen an der gegenüberliegenden Stirnseite und wirkten vollkommen konzentriert. Sie sprachen nicht, sondern standen nur da in ihren dunkelblauen oder schwarzen Trainingsanzügen, wie zwei Karatekämpfer bei einer Konzentrationsübung - vibrierend vor Kraft, aber völlig regungslos. An den Füßen hatten sie weiße Basketballschuhe, an den Händen merkwürdigerweise dunkelglänzende enge Handschuhe.
    Die Frau war einen Kopf kleiner als Reimer. Sie hatte das blonde Haar hochgesteckt und hielt es mit einem Stirnband zusammen. Gemeinsam bildeten sie ein nichtssagendes, blondes Paar, wie es sich ein Versandhaus in seinem Werbespot wünscht.
    Sie stellten sich mit dem Rücken gegeneinander auf, stützten einander ein paar Sekunden, gingen dann zugleich in die Hocke und lösten sich plötzlich in einem Salto voneinander, um dann vollkommen synchron auf dem Boden aufzukommen. Als sie landeten, hatten beide plötzlich eine schwere Faustfeuerwaffe in der Hand. Sie wirbelten herum, zielten beidhändig aufeinander, und genauso plötzlich waren die Waffen wieder verschwunden. Das wiederholte sich zehnmal. Noch immer sprachen sie kein Wort.
    Die Baronin war sprachlos, aber sie fotografierte wie wild.
    Schließlich stellte sich Ellen Strahl an der Stirnseite der Halle auf, während Reimer völlig unbeteiligt in der Mitte der Halle wartete. Sie hielt die Waffe im Anschlag, während sie in wenigen, scheinbar mühelosen Sätzen auf ihren Partner zujagte. Plötzlich stoppte sie, warf ihm aus vielleicht sechs Metern Entfernung die Waffe entgegen, schlug einen abrupten Haken und flog in einer Hechtrolle zur Seite. Reimer lag auf einmal flach auf dem Bauch und zielte mit ihrer Waffe in die Richtung, aus der sie eben noch gekommen war.
    Das wiederholten sie achtmal, und es war nicht erkennbar, dass einer von beiden schneller atmete.
    Dann variierten sie diese Übung, veränderten Rollen und Positionen, wirkten aber bei jeder Variante gleich sicher: unbeteiligt, mühelos, tödlich.
    Es schien mir unvorstellbar, dass irgendjemand gegen diese beiden auch nur den Hauch einer Chance haben könnte.
    Reimer beendete diese Übungen, indem er an einem von der Decke herabhängenden Seil eine Holzscheibe befestigte, die etwa dreißig Zentimeter

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