Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
Vom Netzwerk:
wolltest, darum hast du ein Fahrrad geklaut, bist damit bis Damolly Cross gefahren und hast dort auf sie gewartet. Dann hast du sie angegriffen.«
    »Hab ich nicht. Ich bin nach Hause gegangen und ins Bett.«
    Die Behauptungen der Zeugen, er habe einen hellen Anzug getragen, wurden ihm noch einmal unterbreitet, aber er zuckte mit den Schultern und sagte, dass die Zeugen entweder etwas verwechselten oder logen. Die Anschuldigung der Lüge hatte etwas Kindliches, sein Tonfall war nicht sicher. Er klang wie ein trotziges Kind.
    »Hast du je gesehen, wie ein Mann gehängt wird, McGladdery?«, fragte Speers, »hast du je den Knall gehört, wenn sich die Falltür unter seinen Füßen öffnet? Ich hab gesehen, wie sie Evans in Cardiff für den Mord an Rachel der Waschfrau hängten. Schade, dass du nicht gehört hast, wie er gequiekt hat. Er wollte wohl sagen, dass er unschuldig war, aber am Ende quieken sie alle. Sag die Wahrheit und beschäm den Teufel. Du willst doch nicht damit enden, am Strick nach Luft zu schnappen.«
    »Man schnappt nicht nach Luft. Der Knoten bricht einem den Nackenwirbel. Durchtrennt das Rückgrat. Der Tod tritt auf der Stelle ein«, sagte Robert, »hab ich gelesen.«
    »Ich werd schon dafür sorgen, dass du nach Luft schnappst, McGladdery«, sagte Johnston, »genau darüber werd ich mit dem Henker reden.«

Teil Zwei

I n der Crumlin Road wurde Robert von einem Gefängnisarzt untersucht. Der Arzt befahl ihm, sich auszuziehen und auf die Waage zu stellen. Das erinnerte Robert an das Schwimmen im Bad von Warrenpoint. Die weißen Fliesen, der Chlorgeruch, der in der Luft hing. Nackte Männer, die zwischen den Holzbänken herumlatschten. Robert wurde gewogen und gemessen. Der Arzt blickte in seine Augen und Ohren. Als er Roberts Hoden in der Hand hielt, trug er Handschuhe. Robert betrachtete sich selbst im Spiegel über dem Waschbecken.
    »Ich arbeite an meinem Körperbau«, erklärte er dem Arzt, »ich mach in meiner Zelle vor dem Frühstück hundert Klimmzüge.«
    Mehr als fünfundzwanzig Klimmzüge hatte er noch nie geschafft. Er fand, dass es wichtig war, den richtigen Eindruck von sich selbst zu vermitteln. Der Welt mitzuteilen, hier steht ein Mann, der trotz einer ungerechten Inhaftierung nicht bereit ist, klein beizugeben. Er fing an, die Tage seiner Gefangenschaft in die Wand der Zelle einzuritzen. Er fütterte Tauben durch die Gitterstäbe. Er hatte von Männern gelesen, die viele Jahre in Gefängnissen verbracht hatten. In den Mickey Spillane-Büchern hatte er über die Bedeutung gelesen, die es hatte, seine Zeit abzusitzen. Harte Zeiten. Gute Zeiten. Er hatte über den Vogelmann von Alcatraz gelesen. Er stellte sich einen Mann in einer staubigen Zelle vor, die einsamen Jahre, die vor ihm lagen. Er wünschte sich, an einem Ort wie Alcatraz zu sitzen. Ihm gefiel die einsame Größe, ein Gefängnis auf einer Insel, umspült von tödlichen, unberechenbaren Meeresströmungen, Nebelbänke, die einen umschlossen.
    »Als Kind hatte ich eine Kopfverletzung«, sagte Robert dem Arzt.
    »In deinem Arztbericht steht nichts, das auf eine Schädelverletzung hinweist«, sagte der Arzt.
    Er war ein kleiner Mann, der einen unzufriedenen Eindruck machte. Robert fragte sich, wie er wohl dazu kam, als Arzt in einem Gefängnis zu enden. Er sagte sich, dass es wohl bedeutete, dass man an keinem anderen Ort praktizieren durfte. Robert betrachtete die Haare des Mannes, gefärbt und mit Brillantine nach hinten gekämmt. Der Arzt erzählte Robert, übertrieben häufiges Masturbieren sei ein Hinweis auf ein Sexualverhalten, das von der Norm abweiche.
    »Ich bin kein Perverser«, sagte Robert.
    Der Arzt vermaß Roberts Schädel mit einem Set Stechzirkel aus Messing, dann schrieb er in ein spiralgebundenes Notizbuch.
    »Kann ich meinen Körper der Wissenschaft überlassen, falls sie mich hängen?«, fragte Robert, »man könnte einiges lernen, wenn man einen wie mich untersucht.«
    Er stellte sich einen bedeutenden Arzt vor, der sich über seine Leiche beugte, eine Augenbraue überrascht und verwundert in die Höhe gezogen.
    »Die Leiche eines Exekutierten ist Besitz Ihrer Majestät«, sagte der Arzt, ohne Robert anzusehen, »nach dem Tod wird er auf dem Gefängnisgelände beigesetzt. Es gibt keine Aufzeichnung über den Aufenthaltsort der Leiche.«
    Immer wieder erzählte Robert den anderen Insassen, was mit einem Exekutierten passiere. Die unerschütterliche Herzlosigkeit beeindruckte ihn ebenso wie die Tatsache, dass

Weitere Kostenlose Bücher