Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
Vom Netzwerk:
der Stadt, die sich hochnäsig verhielten, wenn sie an ihnen vorbeiging, doch sie wusste, dass diese Nasen ganz bewusst nach oben gehalten werden mussten und nicht einfach von sich aus in die Luft standen. Es war sogar so, dass man Agnes vorerst mehr Respekt entgegenbrachte als jemals zuvor. Zum ersten Mal begriffen die Leute, was für ein schwieriges Kind Robert gewesen war, und zwar nicht etwa, weil sie zu nachsichtig gewesen war. Auf der Straße brachte man Verständnis für sie auf, doch wenn sie den Gambles begegnete oder anderen Bewohnern von Upper Damolly, schaute sie weg. Der Mann vom Daily Mail führte sie ins Shelbourne Hotel, andere Presseleute brachten sie ins Great Northern Hotel. Ein Mann von der Press Association führte sie ins Crown Hotel in Warrenpoint und spendierte ihr die ganze Nacht Courvoisier im Schwenker. Er war hinter mehr her als nur einer Geschichte, und sie hatte durchaus Neuigkeiten für ihn.
    Agnes war Skorpion, liebenswürdig, aber auch leidenschaftlich. Sie las jeden Tag ihr Horoskop. Oft gab es mysteriöse Andeutungen auf eine Bürde, die sie in ihrem Leben zu tragen habe. Eine Bürde, unter der sie Robert verstand. Allerdings wartete scheinbar auch eine Romanze auf sie, gleich um die Ecke.

Zwölf
    A m 19. März 1961 wurde der zweiundzwanzigjährige George Bratty verhaftet und des Mordes an der zwanzigjährigen Josephine Fitzsimmons angeklagt. Fitzsimmons Leiche war am 17. März unter einer Hecke in der Nähe von Hillsborough gefunden worden, fünfundzwanzig Meilen von Newry entfernt. Constable Robert Hodge hatte die Leiche entdeckt. Ein Band war um den Hals des Mädchens gelegt, das so stark angezogen war, dass er seine Finger nicht darunterzwängen konnte. Hodge bemerkte ein Fahrrad, das sechs Meter entfernt am Boden lag, und eine schwarze Damenunterhose neben der Leiche.
    In der vorgerichtlichen Vernehmung beschrieb Brattys Anwalt ihn als ein schwaches und unreifes Individuum, das bis zu seinem zwanzigsten Lebensjahr das Bett nässte. Er hatte das ermordete Mädchen sein ganzes Leben lang gekannt, konnte sich aber nicht daran erinnern, es angegriffen zu haben. Der Anwalt erklärte dem Gericht, sein Klient sei zum Zeitpunkt des Mordes nicht bei Sinnen gewesen. Er hatte vor, wegen Unzurechnungsfähigkeit auf unschuldig zu plädieren. Bratty kam in der Crumlin Road in Untersuchungshaft, wo auch Robert inhaftiert war, danach wurde er ins Downshire Mental Hospital verbracht. Er war in einem anderen Flügel untergebracht als Robert. Er sah Bratty nur ein einziges Mal, als dieser zum Gefängniswagen geleitet wurde, der ihn in die Psychiatrische Anstalt überstellte. Er war ein bleicher junger Mann mit schwerem Knochenbau und schlurfendem Gang. Robert verfolgte den Fall genau und besprach ihn mit Hughes.
    »Für mich sieht er gestört aus«, sagte Hughes.
    »Das könnte er auch spielen. Immerhin war er schlau genug, ihr irgendwie das Höschen runterzuziehen.«
    »Er kriegt den Strick, wenn du mich fragst.«
    »Ich nehm mal an, er macht das Gleiche wie Gordon. Unschuldig, weil unzurechnungsfähig.«
    Robert hatte Gründe, dies zu sagen. Er hatte Iain Hay Gordons Aussage gelesen, in der er Chief Inspector Capstick erklärte, dass er Patricia Curran umgebracht habe, und zwar »nur, weil ich ein Blackout hatte«. Robert fragte sich, ob Bratty bewusst war, dass die Behauptung, ein Blackout erlitten zu haben, ausreichte, falls es denn von einer Geschworenenjury akzeptiert wurde, um das Urteil »schuldig, aber unzurechnungsfähig« zu gewährleisten. Bratty erzählte der Polizei erst nachträglich, eine Schwäche sei über ihn gekommen.
    »Schlau wie die Füchse, einige dieser Jungs«, sagte Hughes.
    »Eine Schwäche ist nicht das Gleiche wie ein Blackout«, sagte Robert, aber er wusste, was Bratty meinte, wenn er sagte, eine Schwäche sei über ihn gekommen. Er redete dabei nicht von einem Geisteszustand, in dem er nicht mehr wusste, was er tat. Er redete davon, vom Bösen übermannt worden zu sein, verschlungen von der tiefen Dunkelheit.
    »Das könntest du doch auch machen«, sagte Hughes, »nicht schuldig wegen Unzurechnungsfähigkeit.«
    »Würde nicht passen bei mir«, sagte Robert, »das funktioniert nur, wenn du den Mord wirklich begangen hast. Und ich hab Pearl nicht angefasst.«
    »Er kommt nie durch damit. Das ganze Gerede von wegen Bettnässen und so!«
    »Hier heißt es, er sei errettet worden. ›Ich habe Gott gebeten, mich zu retten‹, sagt er.«
    Bratty hatte dem Gericht

Weitere Kostenlose Bücher