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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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etwas an, das sich knapp außerhalb des Bildes befindet. Ihre nachgezogenen Augenbrauen sind gewölbt, ihr starrer Blick ist berechnend. Sie wirkt ungepflegt, als wäre sie auf die schiefe Bahn geraten, und der gefesselte Mann schaut sie alarmiert an. Vielleicht bindet sie ihn los, bevor sie abhaut oder mit seinem Peiniger eine Verbindung eingeht. Beide waren am Ende schäbiger Affären zu oft in der Rolle des Opfers gewesen, deshalb ist der Ausgang schwer einzuschätzen.
    Der neue Thriller vom Autor von The Big Kill hieß es im Untertitel des Romans. McCrink drehte das Buch um und las die Rückseite. Er strich mit der Hand über den Einband, spürte die Einstiche und öffnete das Buch. Die Stiche gingen durch den Karton. Er war von Löchern durchsiebt. Er zählte dreißig. Sie schienen sternförmig angeordnet zu sein. Er rief Speers an.
    »Die Wunden auf Pearls Körper stimmen doch mit der Form einer Feile überein, wie sie Schuster verwenden, und die McGladdery womöglich bei Woolworths gekauft hat?«
    »So ist es.«
    »Ich hab was anderes. Ein Taschenbuch mit Messerstichen, dasselbe Muster.«
    »Er hat das Erstechen zu Hause geübt.«
    »Es beweist nur, dass er auf das Buch eingestochen hat. Es beweist nicht, dass er geübt hat, jemanden zu erstechen.«
    »Sie werden das im Zeugenstand gegen ihn verwenden. Ich möchte zu gern hören, wie er das den Geschworenen erklärt.«
    McCrink zog seinen Mantel an und ging nach draußen. Er lief auf der Mary Street bis zum Kanal. Es war feucht und neblig. Er dachte an den Mann und an die Frau auf dem Umschlag von The Long Wait. Er fragte sich, ob sich McGladdery in ihrer fiktionalen Gefahr verloren hatte. Ob er sich vorgestellt hatte, sich in ihrem von Nebelbänken getrübten Leben zu befinden.

Siebzehn
    R ichter Curran verfolgte in der Ruhe des Billardzimmers die Bahnen der Kugeln auf dem Billardtisch. Er versenkte eine isolierte rote Kugel und setzte die weiße Kugel via Bande direkt vor die schwarze, um diese als Nächste ins untere linke Loch zu versenken. Das Speisezimmer des Reform Club war an diesem Abend sehr gut besucht gewesen. Ferguson hatte beobachtet, wie der Richter zwischen den Tischen herumgegangen war; er hatte gesehen, wie der Richter nachprüfte, wer anwesend war. Die Aktionäre der Werft, die Vorsteher der Grafschaften, die Geistlichen. Er hatte gesehen, wie unbarmherzig die Aufmerksamkeit des Richters auf die Ehefrauen der Männer fiel und wie sie ihm, von freudlosem Begehren ergriffen, nachschauten, wenn er an ihnen vorbeiging. Ferguson hatte Gerüchte von Frauen gehört, die bei den Reisen des Richters nach London dabei gewesen sein sollten. Gerüchte, die ihn durch die Spielhallen des Piccadilly verfolgten.
    Drei Tage zuvor war eine handgeschriebene Notiz ins Büro von Ferguson in Whiteabbey gebracht worden. Die Nachricht kam von Wachtmeister Rutherford, der ihm mitteilte, dass er dem High Court in Belfast am nächsten Tag als Zeuge beiwohnen werde und Ferguson gern treffen würde.
    Rutherford wartete in der großen Halle auf Ferguson. Ferguson hatte ihn nicht mehr gesehen, seit er im Fall Patricia Curran als Zeuge aufgetreten war. Er trug Dienstuniform. Viele Polizisten waren früher in der Armee oder in der Marine gewesen und hatten ein entsprechendes Auftreten. Stiefel und Gurt waren blitzblank poliert und mit Schellack behandelt. Ferguson schüttelte ihm die Hand.
    »Was kann ich für Sie tun, Wachtmeister?«
    »Ich habe vor einigen Monaten einen Besucher zu The Glen begleitet und musste immer wieder dran denken. Dann hab ich Mr West davon erzählt. Er findet, dass Sie und Euer Ehren davon wissen sollten.«
    »Wer war es?«
    »Polizeiinspector McCrink.«
    »Und was zum Teufel hat er da gesucht?«
    Rutherford berichtete ihm von der Entdeckung des Arbeiters, dem großen Blutfleck auf den Holzdielen des Schlafzimmers.
    »Was halten Sie davon?«
    »Ich war während des Krieges auf Geleitzügen durch die Antarktis. Ich habe Männer sterben sehen, Mr Ferguson.«
    Rutherford hatte im Winter 1943 als Handelsmatrose auf Konvois von Southampton nach Spitzbergen gedient. Ein Konvoi war 120 Seemeilen nordwestlich Shetlands bei 14 Knoten Fahrt und starkem Wellengang von deutschen Stukas angegriffen worden. Das Salzwasser gefror auf Streben und Handläufen, und Männer wurden über Deck geschickt, um das Eis von den Echolotverstärkern und Masten zu schlagen. Basstölpel und Möwen folgten ihrem Kielwasser und warteten darauf, dass achtern Fischabfälle über

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