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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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instruieren, dass sie sich nicht davon beeinflussen lassen, dass der Angeklagte nicht aussagt.«
    »Warum sollte ich nicht aussagen, wo ich doch unschuldig bin? Ich kann denen alles sagen, was ich in dieser Nacht getan habe. Ich kann sie in die richtige Richtung lotsen. Ich hab ein paar Tricks auf Lager.«
    »Das ist deine Entscheidung, Robert. Das Problem ist nur, dass dich ein erfahrener Staatsanwalt dazu verleiten kann, Dinge zu sagen, die du gar nicht meinst. Er kann Passagen deiner Aussage so betonen, dass sie dir schaden und die Aufmerksamkeit der Geschworenen von möglicherweise vorteilhaften Aspekten ablenken. Ich rate dir, dass du nicht in den Zeugenstand trittst. Aber ich überlass dir die Entscheidung. Denk ein, zwei Tage lang drüber nach.«
    »Was hat er vor?«, sagte Hughes in dieser Nacht.
    »Weiß der Henker«, sagte Robert.
    »Der Junge denkt, dass du dich nicht selber verteidigen kannst. Es ist dein Recht, dich auf deine Hinterbeine zu stellen und da hochzugehen, um’s denen zu zeigen. Du bist unschuldig. Das sieht man dir schon an.«
    »Du verstehst aber nichts von juristischer Strategie.«
    »Er wird dich mit seiner Strategie in Allen’s Arme treiben, das ist alles, was er tun wird.«
    »Mr Brown und ich haben lange über die Sache geredet.«
    »Lange! Zwei Meter Hanfseil. Das ist die Länge, über die wir hier reden.«
    Robert war nicht aufgefallen, wie Hughes ihn in letzter Zeit angesehen hatte. Hughes wurde langsam zum trügerischen Klischee des Handlangers. Er hatte ein halbes Jahr damit verbracht, Robert zuzuhören, und beschlossen, ihm einen Dämpfer zu verpassen, wie er gegenüber anderen Gefangen in der Küche sagte.
    »Er glaubt, er ist selber Gefängnisanwalt. Lange über die Sache geredet, so ein Quatsch. Er macht dich krank mit seinem Gerede übers Bücherschreiben und russische Spione. Russische Spione, am Arsch! Er sagt, dass er Weltmeister im Bodybuilding wird. Da hat ja ein Sperling mehr Muskeln.«
    Hughes sagte auch, dass ihm der Tonfall, in dem Robert über Bratty redete, nicht gefiel. »Bratty hier und Bratty da, aber vor allem hat er gesagt, dass sie seine Strafe auch umwandeln müssen, wo sie doch die von Bratty umgewandelt haben. Außerdem sagt er, dass Bratty gestanden hätte, dass er es war, ich war’s aber nicht.«
    Robert lieh juristische Fachbücher aus der Gefängnisbibliothek aus. Lehrbücher über Zeugenaussagen und verbrecherische Absichten. Er fing an, juristische Ausdrücke zu benutzen, wenn er sich mit Hughes unterhielt. Er redete über Verteidigung im Allgemeinen und über Verteidigung bei verminderter Zurechnungsfähigkeit. Er verbrachte Tage damit, über berühmte Strafprozesse zu lesen. Regina gegen Cole. Regina gegen Dalton. Er erzählte Hughes, dass er in Sachen Verbrechen und Verbrecher und ihrer niedergeschriebenen Lebensgeschichten Sachkenntnis entwickle. Erzürnte Ehemänner, Giftmörder. Sich selbst stellte er sich als weltoffenen Mörder vor. Feinsinnig, sauber rasiert, fähig zu ausgeklügelten Gräueltaten, über die im Gericht von Männern, die Perücken trugen, gewählt debattiert werden würde. Er stellte sich langwierige Berufungen vor, höfliche Gespräche mit Mitgliedern höherer Instanzen. In Gerichten und der Bibliothek wurde sein Name mit dem gebührenden Respekt erwähnt. Frauen blickten fasziniert vom Publikumsrang herunter, sahen in Robert den Vollstrecker einer höheren Berufung.
    Ende Juni sagte er Brown, er habe vor, sich selbst zu verteidigen.
    »Ich würde mal sagen, er hat Brown mit seinem Gerede über die Justiz weichgekocht«, sagte Hughes.
    Doch Brown verstand die Not, die ein Mann empfand, der um sein Leben kämpft. Er wusste, dass man keinen daran hindern sollte, der den letzten Versuch unternimmt, eine Heldentat zu vollbringen, und zielstrebig alles dafür tat.
    »Wie können Sie jemanden verteidigen, von dem Sie wissen, dass er schuldig ist?«, hatte Robert Brown eines Tages gefragt.
    »Du weißt nicht, ob er schuldig ist, bis das Gericht entscheidet, dass er schuldig ist. Das sind die Spielregeln der Justiz«, hatte Brown geantwortet.
    Obwohl es ein warmer Tag war, war es im Verhörraum kalt. Seit Brown angefangen hatte, an der Crumlin Road zu arbeiten, litt er an chronischer Erkältung. Nachts schlotterte er im Bett. Wenn er das Gefängnis verließ, hatte er das Gefühl, etwas ins Hotel mitzutragen. Er ging zum Arzt und bekam Antibiotika verschrieben. Er fühlte sich, als leide er unter Malaria, die in den Gefängnissen

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