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Requiem: Roman (German Edition)

Requiem: Roman (German Edition)

Titel: Requiem: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eoin McNamee
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des Prozesses konzentrierte sich die Anklage weiterhin auf die Geschehnisse der Nacht. Zuerst wurde Gladys Jones, eine Forstaufseherin, in den Zeugenstand gerufen. Sie beschrieb, wie sie Robert mit Pearl hatte tanzen sehen.
    »Ich erinnere mich an das zweite Mal, dass McGladdery versuchte, Pearl an sich zu ziehen, und wie er seinen Kopf nach unten hielt, in Richtung ihres Gesichtes. Aber sie drehte ihren Kopf immer wieder weg von ihm.«
    Brown fragte sie, wie oft Robert mit Pearl getanzt habe. Sie antwortete zwei oder drei Mal.
    »Die hübsche dunkelhaarige« Joan Donergan wurde in den Zeugenstand gerufen. Sie wurde gefragt, was Robert anhatte. Sie sagte aus, dass er eine »kurze beige Windjacke« getragen habe. Brown nahm sie ins Kreuzverhör. Er fragte sie, wann sie Robert das erste Mal gesehen habe. Sie sagte, dass sie ihn das erste Mal in der Eingangshalle sah, wo er sie »mitnahm« und mit ihr »wild das Tanzbein schwang«. Brown fragte sie, wie oft sie mit Robert getanzt habe. Sechs Mal, antwortete sie.
    McCrink begriff, dass sich hier eine weitere Geschichte entwickelte. Robert geht zum Tanz. Die Art, wie er Joan Donergan zum Tanz auffordert, sie herumwirbelt. Fröhlich, ausgelassen, die Belohnung der Nacht, ein lachendes, hübsches Mädchen, in Reichweite. Er sah vor sich, wie Robert lachte und mit dem Kopf nickte.
    Doch die Aufmerksamkeit der Geschworenen kehrte zum schmutzigen Mantel auf dem Tisch vor dem Podium des Richters zurück. Sie waren noch immer davon überzeugt, dass er Teil der Geschichte war. Wie der Mann, der sich in den Büschen vor der Halle herumtrieb, wie die Vorstellung, die Halle selbst wäre eine Art Wachposten auf dem unheilvollen Pfad hin zum Stoppelfeld und zu Weir’s Rock.
    Ronnie wurde in den Zeugenstand gerufen, sie hatte dunkle Augenringe vor Erschöpfung. Sie legte ihre Hand auf die Bibel und sprach den Eid. Für einen kurzen Moment schien sie sich in einer Erinnerung zu verlieren. Als Kind hatte man sie zu Bibelzelten auf dem Land gebracht, doch das hatte keinen Einfluss auf sie gehabt. Sie war nicht religiös, trotzdem war etwas aus dieser Vergangenheit im Gerichtssaal zu spüren, als sie ihre Hand auf das Buch legte, da waren Bünde geschlossen worden, Psalmen rezitiert, Hände auf die Heilige Schrift gelegt worden, da war in verschiedenen Sprachen gepredigt worden. Wenn sie redete, hatte ihre Stimme die Überzeugungskraft der Bibel. Robert erzählte Hughes, dass sie wie eine andere Person aussehe. Der beste Fick der Stadt, sagte er, redete wie eine von der Kanzel, die Erzählerin, die durch das Erzählen zu einer anderen wurde.
    Die Geschworenen lauschten ihr. Ihnen war aufgefallen, was Ronnie trug, als sie den Gerichtssaal betrat. Der Lippenstift, der eine Spur zu hell war, die blondierte Bienenstock-Frisur, die schwarze Wimperntusche, die falschen Wimpern. Sie missbilligten sie so lange, bis sie zu reden begann und sie durch die Nacht führte, durch die mit Spannung aufgeladenen Momente. Der letzte Mensch, der mit Pearl geredet hatte, bevor sie ihren Mörder traf. Sie ließen sich von Ronnie führen, erteilten ihr die Erlaubnis, auffallend und übertrieben angezogen zu sein.
    Sie erzählte, wie sie mit Pearl zu Fuß zur Halle gegangen sei und dass Pearl an jenem Abend verändert gewirkt habe, wie über sich selbst erhoben, mit wiegendem Gang und niedergeschlagenem Blick. Die Leute seien ihr ausgewichen, als kreuze eine Hofmätresse ihren Weg.
    »Sie trauten sich nicht, sie zum Tanzen aufzufordern. Sie konnten die Augen nicht von ihr lassen, aber sie haben sich vor ihr gefürchtet«, sagte Ronnie, »bis McGladdery sie holte. So sieht das aus.«
    »Wie oft?«
    »Drei Mal, glaub ich. Das letzte Mal, als ich ihn gesehen habe, ist er zum Sänger der Band, um sich ein Lied zu wünschen.«
    »Welchen Song spielte die Band, als er Miss Gamble zum letzten Tanz bat?«
    »It’s Now or Never.«
    Die Geschworenen blickten sich an. Der Titel des Songs ließ darauf schließen, dass Robert Pearl vor eine letzte Wahl gestellt hatte. Der Songtitel beinhaltete eine sexuelle Drohung, das triebhafte Vibrato von Elvis Presley, das ein sinnliches Ultimatum stellte. McCrink konnte sehen, dass Robert den Kopf schüttelte.
    Ronnie beschrieb, wie sie um 2 Uhr 15 Uhr die Halle verließen. Sie erinnerte sich daran, wie kalt es war, wie das Wasser in den Regenrinnen gefror. Die Lichter in der Halle des Oranier-Ordens waren ausgeschaltet, und sie schlenderten im Schutz der Dunkelheit des kaum

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