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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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Aber sehr schnell kam der Hobbydetektiv nicht mehr voran. Seine Schritte wurden schwer, immer wieder musste er kurz innehalten, um zu verschnaufen. Seine Kondition war wirklich schlecht geworden. Nun machten sich die vielen Kuchen und Süßigkeiten schmerzhaft bemerkbar, und er haderte aufrichtig mit sich, dass er nicht auf Annes Ermahnungen gehört hatte. Aber einfach aufzugeben, kam ihm auch nicht in den Sinn. Er würde dem Kerl nachsetzen, solange er sich auf den Beinen halten konnte. Seine Gedanken fixierten sich nur noch auf dieses eine Ziel. Wer war dieser Mann? Er hatte das Gesicht des Mörders nur einen kurzen Moment lang von Nahem gesehen, und das auch nur unvollständig, da es von dieser Schirmmütze beschattet wurde. Aber irgendwie kam es ihm bekannt vor. Er musste dem Mann schon mal begegnet sein. Nur wo?
    Taumelnd, mit Seitenstechen und fast am Ende seiner Kräfte erreichte Beaufort endlich den Südeingang des Volksfestes. Von dem Mörder war natürlich nichts mehr zu sehen. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und schlug den Rundgang im Uhrzeigersinn ein. Es war längst nicht so voll wie beim letzten Mal am sonnigen Sonntagmittag, aber etliche Flaneure waren doch unterwegs. Er hielt sich in der Mitte und scannte links und rechts die Fahrgeschäfte und Fressbuden mit seinen Blicken. Vor einem Autoscooter lungerten gelangweilt aussehende Teenager – Treffpunkt der Jugend stand über ihnen auf einem Schild geschrieben. Schrille Schreie und panisches Gekreische ließen Beaufort aufhorchen. Doch sie kamen nur vom Band aus den Lautsprechern der Geisterbahn. Ein riesiger Totenkopf an der Fassade rollte mit rotglimmenden Augen und verhieß zähneklappernd heftigen Horror und echtes Entsetzen. Für einen Moment sah Beaufort den brutal erwürgten Daniel Tronka vor seinem inneren Auge, aber er schüttelte dieses reale Schreckensbild ab und ging weiter.
    Hinter ihm setzte laute Blasmusik ein. Er drehte sich um und bemerkte eine schwungvolle Dixielandkapelle in magentaroten Uniformen. Sie waren zu siebt und marschierten, Tuba, Posaune, Trompete, Klarinette, Flöte, Trommel und Banjo spielend, auf ihn zu. Was Beauforts Herz höher schlagen ließ, war nicht der Baby Elephant Walk , sondern der Club-Fan, der sich hinter der Band in entgegengesetzter Richtung eilig davonmachte. Der Mörder musste sich in der Geisterbahn versteckt haben, bis er dachte, dass die Luft rein sei und keine Gefahr mehr drohe. Vielleicht hatte er seinen Verfolger aber auch vorbeigehen sehen und sich hinter seinem Rücken aus dem Staub machen wollen.
    Beaufort nahm die Jagd wieder auf und mobilisierte seine letzten Kraftreserven. Er rannte unbemerkt hinter dem Mann her und kam immer näher an ihn heran. Als er nur noch ein paar Meter von ihm entfernt war und sich gleich auf ihn stürzen wollte, musste der Täter ihn im Nacken gespürt oder sein Keuchen gehört haben. Denn er drehte ruckartig den Kopf nach hinten und schlug instinktiv einen Haken. Beaufort taumelte ins Leere, und der Mörder spurtete los. Er versuchte vom Rundweg wegzukommen und zwischen dem Stand einer Wahrsagerin und einer Kinderschiffschaukel hindurchzuschlüpfen, doch versperrte ihm eine Gruppe Väter den Weg. Erst am Zelt von Hax’n Liebermann gelang es ihm, sich seitlich davonzumachen. Beaufort folgte ihm an der Zeltwand entlang, verlor ihn aber zwischen den Wohnwägen und LKW-Gespannen erneut aus den Augen. Die Geräusche des Volksfestes wurden hier leiser, und dunkler war es auch. Auf einem freien Platz blieb er heftig atmend stehen und sah sich in alle Richtungen um. Da! Bereits wieder in einiger Entfernung lief der Flüchtende den asphaltierten Weg zur Kongresshalle hinauf. Beaufort hinterher. Seine Beine wurden so schwer, als liefe er mit Magneten in den Schuhsohlen über eine Metallplatte. Oben angekommen, war er nur noch ein paar Meter von dem stockfinsteren Wandelgang der Kongresshalle entfernt. Er blieb erschöpft stehen und horchte auf Schritte – doch da war nichts. Dann schepperte es plötzlich weiter hinten, und gleich darauf schlug eine Tür zu. Das kam von rechts aus dem Gang, der am Kopfbau des Hufeisens endete, in dem auch die Symphoniker untergebracht waren. Es gab nur eine einzige Treppe, die von dort die gut zehn Meter auf Bodenniveau hinunterführte. Beauforts Herz hämmerte in seiner Brust, und am liebsten hätte er sich auf der Stelle hingesetzt, um zu verschnaufen, doch durfte er jetzt nicht lockerlassen. Er ging leise am Geländer entlang,

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