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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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damit er die Treppe im Auge hatte, deren Fuß von einer Lampe über dem Eingang des Kanu-Clubs beleuchtet wurde. Dort war niemand zu sehen. Der Mörder musste noch irgendwo hier oben sein. Von dem Wandelgang führten mehrere unterschiedlich große Türen in die Kongresshalle hinein. Dahinter lagerte die Stadt Schulmöbel, der Katastrophenschutz Sandsäcke und die Verkehrswacht Absperrgitter und Umleitungsschilder. Beaufort bewegte sich jetzt im Zickzack vorwärts, rüttelte sachte an verschlossenen Türen und schlich wieder ans Geländer zurück, um einen Kontrollblick auf die Treppe zu werfen. So arbeitete er sich voran, bis nur noch zwei Türen übrig blieben. Er steuerte auf die vorletzte Tür zu, als er mit dem Bein gegen etwas stieß. Lautes Scheppern versetzte ihm einen heftigen Adrenalinstoß, und gleichzeitig schoss der Schmerz in sein Schienbein. Er bückte sich und rieb sich die empfindliche Stelle – das würde einen schönen blauen Fleck geben. Zu seinen Füßen lagen ein verbogenes Metallgitter und einige Rohre von Verkehrsschildern. Er griff sich eines der kürzeren, erhob sich wieder und ließ das knapp einen Meter lange Leichtmetallrohr wie ein Säbelfechter durch die Luft zischen. Ein Sport, den er vor Jahren als Student betrieben hatte. Wenigstens hatte er jetzt eine Waffe.
    Beaufort stand vor der Tür, legte die Hand auf die Klinke und drückte sie behutsam herunter. Sie war nicht verschlossen. Die schwere Stahltür ließ sich mit etwas Kraft nach innen öffnen. Dort war es dunkel, und eine eisige Kälte kroch ihm entgegen. Mit seinem Rohr voran ging er langsam hinein. Doch wurde es so pechrabenschwarz, dass er schon nach ein paar Schritten innehielt. Besser, er tastete sich an der Wand entlang, vielleicht würde er dort einen Lichtschalter finden. Er trat einen Schritt zurück und prallte mit seinem Rücken gegen etwas Weiches. Im selben Moment wurde er von hinten gepackt und zwei Arme schlangen sich fest um ihn. Er war gefangen wie in einem Schraubstock, so dass ihm schier der Atem wegblieb. Beaufort konnte weder seinen Arm mit der Waffe heben noch den Ringer hinter sich abschütteln. Er schnappte wild nach Luft, als sich ein feuchtes Tuch über seinen Mund schob. Es war mit einer ätherischen Flüssigkeit getränkt. Mit aller Kraft stemmte er sich gegen den Angreifer, doch dann waberte eiskalter Nebel in sein Gehirn. Der lähmte seine Glieder und ließ die Muskeln schlaff und willenlos werden. Das Klirren des auf den Betonboden fallenden Metallrohres war das letzte Geräusch, das er wahrnahm.
     
    *
     
    »I got the Ball, dann habe ich gesehen, die Abwehr comes for me. Da hatte ich nur eine Sekunde for Schuss. Aber hat gereicht, mit ein bisschen Glück war ich da for Tor. Der Trainer hat zu mir gesagt: Glückwunsch, super, we have the Sieg.«
    Anne saß am Computer im Ü-Wagen und schnitt den drolligen O-Ton des Mittelfeldspielers, der eine Minute, nachdem er eingewechselt worden war, das 1:0 für den Club erzielt hatte. Eigentlich hätte sie darüber schmunzeln müssen. Der Australier, der wacker sein erstes Interview auf deutsch gab, war um Längen besser als Loddar Matthäus auf englisch. Doch Anne machte sich Sorgen um Frank. Als er nach der Halbzeitpause nicht zurückgekommen war, hatte sie es noch mit Humor genommen und sich gesagt, dass er das Spiel vielleicht von einem anderen Platz aus weiter ansehen wollte oder sich in eine ruhige Stadionecke zurückgezogen hatte, um zu lesen. Als er aber auch nicht an sein Handy ging und sich immer wieder nur seine blöde Mailbox meldete, war sie sauer geworden. Anne hatte ja mitbekommen, dass er sich für Fußball nicht erwärmen konnte, aber sie einfach so sang- und klanglos eine ganze Halbzeit lang sitzen zu lassen, war nicht gerade die feine englische Art, auf die er doch sonst so viel gab. Sie hatte ihren Zorn runtergeschluckt, versucht, ruhig zu bleiben, und ihre Interviews nach dem Spiel so professionell wie immer geführt. Aber als Beaufort dann auch nicht am Ü-Wagen auftauchte, schlug ihre Wut in Sorge um. Es war einfach nicht sein Stil, sich so klammheimlich aus dem Staub zu machen. Wenn es ihm überhaupt nicht mehr gefallen hätte und er unbedingt gehen wollte, hätte er es ihr gesagt. Hoffentlich war ihm nichts zugestoßen. Nicht, dass er ausgerutscht war und sich dabei verletzt hatte. Vielleicht war er auch mit einem aggressiven Fan aneinandergeraten. Es war Frank durchaus zuzutrauen, so jemanden zu maßregeln, weil der seinen Müll auf

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