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Requiem

Requiem

Titel: Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dirk Kruse
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darf?«
    »Du darfst das Böcklein nicht in der Milch seiner Mutter kochen. Das ist eines der wichtigsten Reinheitsgebote der Thora. Deshalb ist das Essen nur dann koscher, wenn Milchspeisen und Fleischgerichte in getrennten Töpfen zubereitet und von getrennten Tellern mit anderem Besteck gegessen werden. Aber es gibt Dutzende von Vorschriften.«
    »Wie diese besondere Art des Schlachtens, bei der das Tier ausblutet?«
    »Ja, das Schächten. Und bestimmte Tiere dürfen überhaupt nicht verzehrt werden. Wassertiere zum Beispiel sind nur erlaubt, wenn sie Schuppen, Kiemen und Flossen haben. Die koschere Küche muss also ohne Muscheln und Scampi auskommen. Und es darf auch nur Fleisch von Wiederkäuern mit gespaltenen Hufen verzehrt werden. Aber was ist nun? Ich hab’ Hunger. Wo fahren wir hin?«
    »Ich weiß nicht. In der Südstadt kenne ich nicht so viele Lokale.«
    »Wie wäre es mit einem richtig guten Schäufele? Warst du schon mal bei Don Schäufele in der Schweiggerstraße?«
    »Klingt gut, aber seit wann gehört Schwein zu den Wiederkäuern?«
    »Du willst koscher essen, Frank, nicht ich. Bei uns zu Hause wurde nie koscher gekocht. Ich bin nicht orthodox. Ich gehe wahrscheinlich seltener in die Synagoge als du in die Kirche.« Damit ließ er das Auto an.
    »Sag mal, gibt es eigentlich auch Regeln für den Verzehr von Hühnereiern?«, fiel es Beaufort ein.
    »Sind mir keine bekannt. Solange du das Ei nicht im Fleischtopf kochst, ist es koscher. Du stellst vielleicht Fragen.« Rosenberg schüttelte den Kopf und fuhr los.
     
     
    *
     
    Liegt der Knochen blank am Teller, war’n die Schäufele-Freunde schneller. Ein wenig holprig im Versmaß, aber mit ungebrochenem Enthusiasmus für ihre fränkische Spezialität präsentierten sich die Liebhaber der Schweineschulter mit der knusprigen Schwarte gleich beim Eintritt ins Gasthaus. Denn an der Wand der Ersten Fränkischen Schäufelewärtschaft , die vor ein paar Jahren vom »nicht eingetragenen« Verein der Freunde des fränkischen Schäufeles eröffnet wurde, prangte natürlich das eigene Logo mit dem selbstgedichteten Wahlspruch. Manchmal schallte sogar ein eigens kreierter Ruf der Vereinsmitglieder durch den Gastraum. »Sau, Sau – Hurra!«, war dann aus den vom Unterzaunsbacher Bier befeuchteten Kehlen zu hören. Auch was die Innenausstattung betraf, herrschte fränkisches Bekenntnis vor: Rot-weiß gestreifte Kissen lagen auf Bänken und Stühlen, rot-weiß karierte Decken waren über helle Holztische gebreitet, und ebenso patriotisch gemusterte Vorhänge hingen an den hohen Fenstern. Die Wände waren mit großen Ölgemälden geschmückt, die jenes Tier in allen möglichen Posen darstellten, dem sich hier die kulinarischen Genüsse verdankten: dem Schwein. Rosenberg entschied sich fürs klassische Schäufele mit Kloß und Bratensoße, Beaufort bestellte Schäufele-Sülze mit Bratkartoffeln.
    »Lecker. Außen knusprig braun und innen wunderbar zart, so muss das schmecken«, sagte Rosenberg bestimmt und schob sich eine Gabel voll in den Mund.
    »Hast recht«, mümmelte Beaufort und klaute sich von Davids Teller ein Stück rösche Kruste, »so etwas wäre uns in einem koscheren Restaurant natürlich entgangen. Ein bisschen wundere ich mich aber doch, dass es in unserer Stadt keines gibt. Ich habe gelesen, dass die jüdischen Gemeinden hier in der Gegend wieder mehr Zulauf bekommen haben.«
    »Ja, aber es sind vor allem Juden aus der ehemaligen Sowjetunion, die hierher ziehen, und die sind oft wenig erfahren in den jüdischen Bräuchen. Von denen hat dort kaum einer orthodox gelebt und tut es hier erst recht nicht.«
    »Wie ist denn die Stimmung in den israelitischen Kultusgemeinden seit den Morden auf dem Reichsparteitagsgelände?«
    »Da fragst du den völlig Falschen. Ich habe dir doch schon gesagt, dass ich nicht besonders religiös bin. Weißt du, was die evangelischen oder katholischen Gemeinden in der Metropolregion zu den Morden sagen?« Beaufort schüttelte den Kopf. »Na also. Ich verstehe gar nicht, warum du heute Abend so am Judentum interessiert bist.«
    »Ehrlich gesagt, David, frage ich mich, ob der Mörder aus diesen Kreisen stammen könnte.«
    »Mann, Frank, was hast denn du für ein Weltbild! Glaubst du, die Juden ziehen jetzt auch in den Heiligen Krieg? Mir ist nicht bekannt, dass es in den Gemeinden irgendwelche militanten Strömungen gäbe. Im Radio auf B 5 aktuell habe ich heute sogar den Vorsitzenden der Israelitischen Kultusgemeinde gehört,

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