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Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Rescue me - Ganz nah am Abgrund

Titel: Rescue me - Ganz nah am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Koch
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vergrault.“ Ryans Entsetzen in seiner Stimme und die überstürzte Flucht ließen gar keinen anderen Schluss zu.
    „Hätte ich doch bloß nicht auf Brad gehört!“, schnauzte ich. „Du musst zeigen, was du fühlst, du musst dich öffnen!“ Wütend äffte ich dessen Worte nach. „Tolle Wurst! Und was habe ich jetzt davon? Nichts! Er ist weg und er wird garantiert nicht wiederkommen!“
    Ich hatte ihn ein für alle Mal vertrieben.
    „Du scheinst nicht genau zu wissen, was du willst, oder?“, fragte Dad gereizt. Offenbar ging ihm das ständige Hin und Her auf den Keks. „Läuft es nicht so, wie du es dir gewünscht hast? Du wolltest deine Ruhe, schön einsam in deinem selbst gebauten Gefängnis vor dich hinvegetieren. Nun hat es ja endlich geklappt. Sei doch froh.“
    „Verdammt noch mal, Dad, musst du dich schon wieder einmischen?“, rief ich und sprang aus dem Bett. Unruhig begann ich, hin und her zu laufen. „Es wird ja wohl besser sein, wenn er wegbliebe, oder? Denn wie soll ich ihm jemals wieder unter die Augen treten, he?“
    Ich hatte es vergeigt. So richtig. Und alles nur, weil ich mich nicht beherrschen konnte, da auf dem alten Sofa. Als Ryan betrunken in meinen Armen lag und schnarchte.
    „In den Arsch könnte ich mich treten!“ Ich war über mich selber so wütend, am liebsten wäre ich mit dem Kopf vor die Mauer gerannt. Ich lehnte mich an die Fensterbank und verschränkte die Arme vor der Brust. Atmete tief durch. Versuchte, wieder runterzukommen. „Wieso, verdammt, hab’ ich das bloß getan?“
    Weil ich gar nicht anders hatte handeln können. Weil ich ein Mal, ein einziges Mal nur diesem verfluchten Drang hatte nachgeben müssen . Ihn zu berühren. Die Weichheit seiner Haut spüren. Ihn küssen.
    Wie lange schon hatte ich es tun wollen? Ich wusste es gar nicht mehr, hatte bislang jeglichen Gedanken daran erfolgreich verdrängt. Nach dem Unfall war es mir auch nicht sehr schwer gefallen, da hatte ich genügend andere Probleme.
    Doch nun – nun war er wieder da, dieser elende Wunsch. Seit Ryan in mich hineingerannt war, wuchs und wuchs er immer weiter, wie ein Geschwür. Tief in mir drin.
    Ich stöhnte frustriert auf. Ja, ich hatte es getan – und ausgerechnet in dem Moment hatte Ryan seine Augen öffnen müssen.
    „Du hast ihn geküsst. Na und? Ich hab’ mal Joe Foster geküsst – du weißt schon, er war mein Mechaniker. War ’ne Wette. Hab’ fünfzig Dollar gewonnen.“ Dad feixte. „Wieso machst du dir Gedanken darum?“
    „Ach Dad! Du fragst noch?“, antwortete ich mutlos. Jetzt dachte Ryan wahrscheinlich, ich fiele jedes Mal über ihn her. Ich war ja schon lange der Freak, aber jetzt war ich auch noch der schwule Freak.
    „Glaubst du, er wird es jemandem sagen?“
    „Ich weiß nicht.“ Ich rieb mir die Augen. Es war ein Gefühl, als hingen Zementsäcke an den Lidern. „Nein. Wird er nicht.“ Langsam drehte ich mich um und drückte die Stirn an die kühle Scheibe. Starrte geistesabwesend aus dem Fenster. Ganz am Rande registrierte mein Unterbewusstsein den violetten BMW, der wieder auf der anderen Straßenseite parkte. Was …
     
    „Redest du immer mit dir selber?“
    Erschrocken zuckte ich zusammen und fuhr blitzschnell herum. Vergessen war das Coupé, denn Ryan stand in der Tür. Die Hände in die Taschen seiner hellen Bermudas gestopft, die Schultern hochgezogen, die Miene finster.
    „Was willst du noch?“ Eigentlich brauchte ich nicht fragen. So wie der aussah, wollte er mich umbringen. Ich seufzte. Konnte ich es ihm verübeln? Wohl kaum.
    Ryan kam näher. So dicht, ich konnte die Anspannung förmlich spüren, die von ihm ausging. Grimmig sah er zu mir auf. In seinen blauen Augen funkelte etwas, doch ich konnte es nicht genau benennen. Er atmete schneller, sein Gesicht war leicht gerötet. „Wenn du das noch einmal machst …“
    „Werd’ ich schon nicht. Keine Angst!“, biss ich verächtlich zur Seite, bevor Ryan ausreden konnte.
    „… dann warte wenigstens so lange, bis ich wach bin. Klar?“
    In der Stille, die darauf folgte, hätte man eine Stecknadel zu Boden fallen hören können.
    Ryan trat noch näher, legte seine Hände an meine Wange, um meinen Nacken und zog mich zu sich herunter. „So. Jetzt tu’s noch mal!“
    Und bevor ich noch wusste, wie mir geschah, drückte sich sein Mund auf meinen. Warm. Weich. Verlockend wie Vanilleeis.
    Ich allerdings konnte das gar nicht so schnell wechseln und stand da wie ein Ölgötze. Blinzelte ungläubig.

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