Rescue me - Ganz nah am Abgrund
nachdenken.
Wieder schniefte er mehrmals. Er bekam kaum Luft, hatte so ein Gefühl, als sei seine Nase auf die Größe eines Heißluftballons angeschwollen. Auf seiner Zunge machte sich metallischer Geschmack bemerkbar. Also blutete es wieder. Mit ungeschickten Bewegungen versuchte er, sich das feuchte Gesicht am Ärmel seines klitschnassen Shirts abzuwischen. Vergeblich.
Diese miesen Arschlöcher!
Wuchtig wie ein Panzer war dieses unbeleuchtete Coupé praktisch aus dem Nichts hinter ihm aufgetaucht, kaum dass er ein paar Kilometer vom Wildwood Lake entfernt gewesen war. Seine Flucht war leider nicht unbemerkt geblieben. Fast spielerisch hatte der BMW den Civic angestupst und ihn so vor sich her gestoßen. Ryan, der in Gedanken schon bei Tyler gewesen war, erschrak fast zu Tode und verriss den Lenker. Geistesgegenwärtig hatte er versucht, Gas zu geben, doch er verwechselte das Gaspedal mit der Bremse. Statt davon zu fahren, blieb er abrupt stehen, würgte sogar den Wagen ab.
Panisch hatte er versucht, den Motor wieder in Gang zu bringen, doch erfolglos. Der Motor orgelte nur und im selben Augenblick hatte der BMW ihn immer weiter nach rechts geschoben. So unglücklich in den tiefen Graben hinein, die Wucht hatte glatt die Aufhängung der Vorderachse ausgeschlagen. Vom übrigen Blechschaden mal ganz abgesehen. Der Honda war nur noch Schrott. Seine Mom würde ihn umbringen!
Wenn seine beiden Bewacher dieses nicht schon vorher erledigen würden. Allan fuchtelte immer mal wieder mit seiner Pistole herum, um ihm zu drohen und auch der Fahrer war mit Sicherheit bewaffnet.
Ausgerechnet Allan. Vom Abzocker zum Kidnapper. Was für eine Karriere! Allan Baker Eins und Zwei konnten wirklich stolz auf ihren Sprössling sein.
Den Fahrer allerdings hatte Ryan noch nie zuvor gesehen. Sein Name war Tito, jedenfalls hatte Allan ihn so angesprochen. Dieser Tito war ein Hüne, ein muskelbepackter Riese, gekleidet wie Mr. Model persönlich. Schicker dunkler Anzug, Goldkettchen am Armgelenk. Trotz des Regens saß eine Sonnenbrille auf seiner Nase, die den größten Teil seines dunklen Gesichtes verdeckte. Auf dem Kopf trug er Glatze, im Ohr einen dicken Brilli, der wohl so einiges wert sein durfte. Verbrechen mussten doch ganz schön einträglich sein.
Vierundzwanzig
Die Viper grummelte dumpf. Protestierte dagegen, dass sie sich zügeln musste, nur einen Bruchteil ihrer Leistung ausspielen durfte. Sie war eine Rennbestie. Kein Tretauto.
Normalerweise hätte ich es trotz des Regens genossen, die engen Serpentinen zum Point hoch zu kurven. Doch jetzt hatte ich keinen Gedanken dafür, wollte es so schnell wie möglich hinter mich bringen. Wollte Ryan aus den Fängen dieser Wichser befreien.
Ich warf einen Blick in die Runde. Pleasure’s Point – von den Einheimischen aber nur ‚der Point‘ genannt – war ein Aussichtspunkt, gut sechshundert Meter hoch oben in den Bergen, von wo man bei Sonnenschein und klarem Himmel einen atemberaubenden Blick über die tief gelegene Stadt und die Umgebung hatte, und der deswegen bei Touristen sehr beliebt war.
Pleasure’s Point war aber auch jenes Fleckchen, zu dem man hinfuhr, um spät am Abend mit seinem Mädchen ein wenig Spaß zu haben. An manchen Abenden wurde hier jeder Zentimeter von parkenden Autos in Beschlag genommen, fanden wilde Partys statt. Es sollte dabei jede Menge Alkohol geben, beschlagene Scheiben und quietschende Autositze. Gina hatte damals vergeblich versucht, mich hier hoch zu lotsen.
Der Parkplatz war leer, bis auf den violetten BMW. Der befand sich fast in der Mitte des Platzes, die Schnauze Richtung Ausfahrt, die abgedunkelten Fenster und Türen geschlossen. Ich sah die Schrammen und eingedelltes Blech, dort, wo sie den Honda gerammt hatten, diese Feiglinge!
Und da war Ryan.
Er stand vor dem aufgemotzten Wagen. Schmal, völlig durchnässt. Wirkte wie ein kleiner, verlassener Junge, der von herzlosen Eltern im Nirgendwo ausgesetzt worden war.
Ich spürte, wie dunkler Zorn mich packte. Meine Finger umschlossen den Lenker, krallten sich förmlich daran fest. Dafür würden sie büßen. Fast bereute ich es, nicht mehr der Prinz der Finsternis zu sein.
Langsam kurvte ich auf das Coupé zu, bis uns noch gute fünf Meter trennten. Ich rangierte solange, bis die Beifahrerseite zu Ryan zeigte, und schaltete den Motor ab. Beugte mich hinüber und öffnete die Tür, ließ sie einen Spaltbreit aufstehen. Für alle Fälle.
Dann wartete ich noch einige Sekunden und
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