Rescue me - Niemand wird dich schützen
vor, weder zu schreien noch zu weinen, und drückte auf die Klingel.
Die Tür wurde aufgerissen, und Jordan stand vor ihr. Dieselben bezaubernden dunklen Augen, die sie unlängst mit heißem Verlangen angesehen hatten, funkelten sie jetzt voller Verachtung an.
Er weiß Bescheid.
Jordan starrte die Frau an, die vor zwei Stunden erst in seinem Bett gewesen war. Die kleine Devon war erwachsen geworden. Und sie war heute noch ein bisschen erwachsener als gestern um diese Zeit. Aber hatte sie nicht genau das auch geplant gehabt?
In seinem Kopf hallten die scheußlichen Dinge wider, die Alise Stevens ihm vor Minuten am Telefon erzählt hatte. »Sie bildet sich ein, dass sie dich liebt. Devon hat letztes Jahr zwei unserer Freunde zu verführen versucht. Sie war schon bei einem Psychiater deshalb. Sie ist krank … wahnhaft. Sie redet sich ein, dass sie verliebt ist, und tut dann alles, um Männer ins Bett zu locken. Ich fasse nicht, dass ausgerechnet du auf sie reingefallen bist. Mein Gott, Jordan, sie ist doch noch ein Kind!«
»Hallo, Jordan. Darf ich reinkommen?«
Wut, Enttäuschung und Scham tobten in ihm. Er packte ihren Arm und zerrte sie grob ins Haus, ohne auf ihren Schmerzensschrei zu achten, den er für vorgetäuscht hielt. Er hatte ihr schließlich nicht wehgetan, und er wusste inzwischen, wie verlogen sie war.
Drinnen musterte er sie aufmerksam, weil er wissen wollte, was ihm Stunden zuvor entgangen war. Nein. Selbst ohne die farbigen Kontaktlinsen hätte er sie nicht wiedererkannt. In acht Jahren konnte ein Mensch sich reichlich verändern. Und Devon hatte sich noch mehr verändert als die meisten anderen es täten.
Die weichen Konturen des Mädchens waren wohlgeformten Kurven gewichen. Elegante hohe Wangenknochen hatten das einst runde Engelsgesicht ersetzt. Die ehedem blonden Locken waren in einem dunklen Mahagoniton gefärbt. Und sie war mindestens fünfzehn Zentimeter gewachsen.
Das letzte Mal, als er mit Henry sprach, hatte er erwähnt, dass Devon zu einer hübschen jungen Frau herangewachsen war. Leider hatte Henry nicht erwähnt, dass sie sich außerdem zu einer notorischen Lügnerin entwickelt hatte.
»Bist du … kann ich …« Sie seufzte leise. »Darf ich mich setzen? Ich bin ein bisschen müde.«
Jordan nickte in Richtung Wohnzimmer und beobachtete, wie sie ihre Reisetasche fallen ließ und mit langsamen, vorsichtigen Schritten von der Diele ins Wohnzimmer ging, wobei sie ihren rechten Arm merkwürdig angewinkelt hielt.
Was machte sie ihm jetzt wieder vor? Ihre Lippen waren blau, und sie zitterte, also glaubte er ihr zumindest, dass sie fror. Und ehe sie wieder ging, würde er dafür sorgen, dass ihr noch kälter war.
Die Fäuste geballt und die Zähne zusammengebissen, rang Jordan mit seiner Wut – von der sich ein nicht unerheblicher Teil gegen ihn selbst richtete. Verdammt, er hatte doch gemerkt, wie unschuldig und unerfahren sie war. Selbstekel und Wut auf sie vermengten sich mit einer seltsamen Enttäuschung, über die er nicht einmal nachdenken wollte. Das hier war Devon, verflucht noch mal! Ein Mädchen, das er schon ewig kannte.
Devon kämpfte mit den Tränen, als sie vor dem munter züngelnden Kaminfeuer stand. Der Schmerz in ihrer Schulter
wurde eins mit dem in ihrer Brust und machte jeden zusammenhängenden Gedanken unmöglich. Was könnte sie sagen, um zu rechtfertigen, was sie getan hatte? Gar nichts.
Er wusste alles, daran bestand kein Zweifel. Bereits als er die Tür öffnete, hatte er sie voller Verachtung und Ekel angesehen.
Alise . Ihre Mutter dürfte nichts unversucht gelassen haben, um die Situation noch zu verschlimmern. Devon holte zitternd Atem. Nun, sie war jetzt hier, Alise nicht. Sie musste ihm alles erklären, damit er sie verstand.
»Setz dich hin, bevor du umkippst.«
Devon fuhr zusammen, weil seine Stimme vor Zorn vibrierte. Ja, er mochte ein ruhiger, beherrschter Mann sein, aber er fühlte sich hintergangen. »Ich sagte, setz dich.«
Devon sank aufs Sofa und streckte ihre Hände zum Feuer, um sie zu wärmen. Sie sollte etwas sagen, mit ihren Erklärungen beginnen. Aber auch wenn ihr Leben davon abhing, ihr fiel absolut nichts ein.
»Nun, Devon ? Bist du bloß hergekommen, um an meinem Kamin zu sitzen, oder gibt es vielleicht noch einen anderen Grund für deinen Besuch? Bist du hier, um dich noch mal vögeln zu lassen?«
Bei seinen harschen Worten, die sie wie Peitschenhiebe trafen, zuckte sie zusammen. Sie musste ein Wimmern unterdrücken, weil
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