Rescue me - Niemand wird dich schützen
Das Wichtigste aber war, dass Thomas durch die Heirat zum Familienmitglied wurde, und niemand wagte, die Familie zu verraten.
Ein Geräusch ließ Alfred aufmerken. Inez kam herein, noch genauso liebreizend wie damals bei ihrer Heirat. Sie war erst sechzehn gewesen, fast noch ein Kind. Ihr blondes Haar, das zu einem schmeichelhaften gelockten Bob geschnitten war, umrahmte ein wunderschönes, aristokratisches Gesicht. Mittelgroß und schmal von Statur, hatte ihre Schönheit ihn vor all den Jahren auf sie aufmerksam gemacht. Doch es waren ihr eiserner Wille und ihre Liebe zur Familie gewesen, die ihn vom Fremdgehen abhielten. Wie er, würde auch Inez alles für ihre Familie tun. Ihre gemeinsamen Überzeugungen machten diese Ehe stark und unerschütterlich.
Alfred klopfte neben sich auf die Couch. »Komm, meine Liebe, und erzähl mir, wie dein Tag war.«
Sie setzte sich, küsste ihn auf die Wange und schmiegte sich an ihn. »Anstrengend, aber produktiv. Wegen einiger ungewöhnlicher Polizeiaktivitäten mussten wir die Produktion bei zwei unserer Fabriken einstellen. Philippe kümmert sich um die Angelegenheit, und wir gehen davon aus, dass wir nächste Woche wieder öffnen können.«
»Habt ihr schon eine Idee, wodurch es zu der vermehrten Aufmerksamkeit kam?«
»Philippe glaubt, dass unsere Schutzquellen eine Gehaltserhöhung wollen. Er wird ihnen begreiflich machen, dass dies nicht die angemessene Art ist, solchen Bitten Ausdruck zu verleihen.«
Ihr trockener Humor brachte ihn zum Lachen, und Alfred nahm sie in den Arm. Kein Geschäftspartner konnte
es mit seiner Frau aufnehmen, was Loyalität, Entschlossenheit oder klare Entscheidungen anging. Ihm war bewusst, dass er selbst dazu neigte, zu emotional zu reagieren, wenn gewisse Störungen auftraten. Seine Inez niemals. Sie konnte jede Situation mit einem Minimum an Aufregung oder Emotion regeln. Was für ein Schatz sie war!
»Ich hatte vorhin übrigens ein etwas merkwürdiges Gespräch mit Georges«, sagte Inez.
»Worum ging’s?«
»Er muss jeden Moment hier sein. Soll er es dir selbst erzählen.«
Alfred schüttelte lächelnd den Kopf. »Nun, da es sich um Georges handelt, vermute ich mal, es hat mit einer jungen Frau zu tun.«
»Ja, aber nicht mit irgendeiner jungen Frau«, erwiderte Georges von der Tür aus.
Alfreds Lächeln wurde strahlender, als Georges das Zimmer betrat. Eltern sollten keine Lieblinge unter ihren Kindern haben, und dennoch konnte er nicht leugnen, dass er seinen jüngsten Sohn ganz besonders gern hatte. Georges war eine maskuline Version seiner geliebten Inez und bewies den ausgeprägten Familiensinn seines Vaters. Ja, er verkörperte die besten Eigenschaften von Inez und Alfred.
»Dann komm her und erzähl uns, was an dieser jungen Frau so besonders ist.«
Alfred betrachtete seinen Sohn mit ein wenig Besorgnis, als der sich ihnen gegenüber hinsetzte. Georges wirkte müde und beinahe unglücklich.
»Ihr Name ist Claire Marchand. Ich habe sie letzten Monat auf einer Party kennengelernt. Sie ist bezaubernd schön«, sagte Georges.
Alfred konnte nicht umhin, leise zu lachen. »Selbstverständlich
ist sie das. Aber was macht sie anders als die unzähligen anderen bezaubernd schönen Frauen, die du umworben hast?«
»Sie ist einfach anders, Papa. Sie ist freundlich und witzig, und ich bin unglaublich gern mit ihr zusammen.«
»Bist du in sie verliebt?«, fragte Inez.
»Ja, Mama, ich glaube schon.«
»Und erwidert sie deine Gefühle?«
»Sie würde, gäbe es da nicht gewisse Hindernisse.«
In Alfreds Kopf schrillten Alarmglocken. »Was für Hindernisse?«
»Sie ist verheiratet.«
Bedauernd schüttelte Alfred den Kopf. »Du darfst keine Ehe zerstören. Haben wir dich nicht gelehrt, dass die Ehe heilig ist?«
»Aber es ist gar keine richtige Ehe mehr, Papa. Ihr Ehemann ist ein Pflegefall. Claire bleibt nur aus Treue und Pflichtgefühl bei ihm.«
»Das ist ihre Entscheidung, Georges«, sagte Alfred.
»Doch nur weil sie denkt, ihr bliebe keine andere Wahl.«
»Was soll das heißen?«, fragte Inez streng.
Georges wandte nervös den Blick ab, dann wieder seinem Vater zu. »Du hattest für die erste Frau von Lisas Ehemann einen Unfall arrangiert, damit er frei war, Lisa zu heiraten.«
Alfred achtete nicht auf Inez, die hörbar den Atem anhielt. Ihr war die Sache durchaus bekannt. Nur hatten sie beide gedacht, dass außer ihnen niemand in der Familie wüsste, was sie für ihre älteste Tochter getan hatten.
»Die Umstände
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