Rescue me - Niemand wird dich schützen
Musik aus versteckten Lautsprechern erfüllte den Raum. Ein kleines, anheimelndes Feuer vertrieb die Kälte aus der Luft. Sein Haus mit den achtzehn Schlafzimmern und zweiundzwanzig Bädern war von angenehmer Größe, aber dieses kleine Zimmer hier war ihm das liebste. Er nahm einen Schluck von seinem Brandy, als er auf Inez wartete, mit der er seit vierzig Jahren verheiratet war.
Sie beide waren immer sehr beschäftigt. Die einstündigen Treffen hier, bevor sie sich zum Schlafen zurückzogen, waren ein kostbares Ritual. Eng umschlungen tauschten sie sich über die Neuigkeiten des Tages aus und besprachen alle Familienprobleme, die während der letzten vierundzwanzig Stunden aufgetreten waren. Sie beide hatten all die Jahre schwer gearbeitet, um ein Imperium aufzubauen, und sie hatten keine Geheimnisse voreinander.
Eines der Themen, die er später mit Inez besprechen wollte, war das heutige Treffen mit seinem angeheirateten Cousin Thomas Bennett. Die Geschäftsbeziehung zu ihm gründete auf beiderseitige Gier sowie das gemeinsame Unternehmen, dessen einziger Zweck der war, Bedürfnisse zu befriedigen, die nur die wenigsten stillen konnten
oder wollten. Mit ihrem besonderen Service machten sie enorm viel Geld.
Letzte Woche allerdings hatte Alfred gehört, dass eine kürzlich ausgelieferte Ware beschädigt angekommen war. Also hatte er Bennett einbestellt und eine Erklärung verlangt.
Thomas war ein absolut unscheinbarer Mann: mittelgroß, blass mit Windpockennarben, schütteres braunes Haar und ein bisschen knopfäugig. Er war der Typ Mann, an dem die meisten Leute auf der Straße vorbeigingen, ohne ihn wahrzunehmen. Aber sein heller Verstand, seine flexiblen Moralvorstellungen sowie seine grenzenlose Gier machten ihn zu einem exzellenten Geschäftspartner.
»Darf ich davon ausgehen, dass künftig keine Ware mehr beschädigt wird?«, hatte Alfred gefragt.
Thomas dünne Lippen verzogen sich zu einer Zickzackgrimasse. »Der Mitarbeiter und mit ihm das Problem wurden eliminiert. Eine schmutzige, jedoch notwendige Demonstration, wie viel Wert wir auf Qualität legen. Das restliche Personal hat gesehen, was passiert, wenn Anweisungen missachtet werden. Es geht doch nichts über eine kleine Vorführung, um Leute zu überzeugen. Wir werden keine weiteren Probleme bekommen.«
»Gut. Ich muss dir wohl nicht sagen, dass unsere Kunden frische, unversehrte Ware verlangen, Thomas.«
»So etwas wird nicht wieder vorkommen.«
Alfred nickte. »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.«
»Das Geschenk für deinen Sohn wird morgen an den gewohnten Ort geliefert.«
»Marc gefiel das Aussehen deiner letzten Lieferung, aber die Qualität entsprach leider nicht seinen gehobenen Ansprüchen. Er ist mehr als bereit für einen Ersatz.«
»Ich denke, dieses besondere Stück wird sich als robuster erweisen und ihm länger Freude machen.«
Alfred, der mit den Vorlieben seines Sohnes vertraut war, fragte: »Hoffentlich blond und attraktiv, ja?«
»Blond und, ja, außerordentlich attraktiv.«
»Sehr gut. Sonst noch was?«
»Das Clement-Problem erledigst du, nicht wahr?«
»Ja, aber nicht ganz so schnell wie erhofft. Hector ist noch nicht gewillt, all meine Forderungen zu erfüllen. Solange er nicht nachgibt, bleibt seine Tochter als Gast bei meinem Sohn.«
»Entsorgen wir sie auf die übliche Weise?«
»Nein, ich halte mein Wort. Sobald Hector die Kontrolle über seine Südamerikageschäfte abtritt, gebe ich ihm wie versprochen seine Tochter zurück.«
»Das ist sehr großzügig von dir … deutlich großzügiger, als er es verdient hätte.«
»Ich bin zwar ein Geschäftsmann, doch vor allem bin ich ein Familienmensch. Ich verstehe, wie sehr ein Vater an seinen Kindern hängt. Es gibt nichts, was ich nicht für meine täte. Hector weiß, dass alles seine Schuld ist, und je eher er nachgibt, umso schneller kann seine Tochter zu ihrer Familie zurückkehren.«
Bennett hatte genickt und war aufgestanden. »Ich fahre in ein paar Stunden nach Hause, aber ich bin rechtzeitig zur nächsten Lieferung da.«
Alfred nippte an seinem Brandy, um ein unbehagliches Frösteln zu vertreiben. Ein Besuch von Thomas Bennett zerrte stets an seinen Nerven. Der Mann hatte schlicht etwas Unheimliches an sich, obwohl er ein verdammt guter Geschäftspartner war. Dass Alfred seine Cousine Celia überreden konnte, Thomas um der Familie willen zu heiraten,
hatte sich bezahlt gemacht. Die beiden hatten zwei Töchter und inzwischen auch einen Enkel.
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