Rescue me - Niemand wird dich schützen
ging. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Ja, gern, Wasser bitte.«
Nachdem er Jordan ein Glas mit Eis und sprudelndem Mineralwasser gebracht hatte, setzte Noah sich ihm gegenüber, legte die Hände übereinander und wartete.
Jordan holte einen dicken Ordner aus seinem Aktenkoffer und schob ihn McCall über den Couchtisch zu. Darin war alles, was er über Devons Verschwinden herausfinden konnte, selbst die winzigsten Details.
»Devon Winters verschwand im April vor sieben Jahren in Washington D.C. Ich glaube, dass ich die letzte Person war, die sie gesehen hat. Sie war zu dem Zeitpunkt einundzwanzig Jahre alt und emotional sehr aufgewühlt. Höchstwahrscheinlich spielte das eine Rolle bei ihrem Verschwinden.«
McCall blickte kurz zu dem Ordner, dann wieder zu Jordan. »Weshalb war sie aufgewühlt?«
Jordan atmete langsam aus. Ihm war klar gewesen, dass er die volle Wahrheit sagen musste, nichts zurückhalten durfte. Dies könnte seine letzte Chance sein, Devon zu finden, und dafür würde er alles tun.
Er trank einen Schluck Wasser, stellte das Glas wieder hin und begann: »Ich kannte Devon und ihre Familie seit Jahren. Ihr Stiefvater war mein Pate, also sah ich sie oft, immer wenn ich Henry besuchte. Sie war ein niedliches, unschuldiges Kind. Mit dreizehn kam sie auf ein Internat, und ich stieg in meinen Beruf ein. Wenn sie in den Ferien nach Hause kam, war ich nicht in der Stadt. So vergingen Jahre, in denen wir uns nicht begegneten.«
Im Geiste sah er das junge Mädchen wieder vor sich: lockiges goldblondes Haar, das ein rundes Gesicht mit Grübchen umrahmte. Selbst mit der Zahnspange konnte ihr Lächeln das härteste Herz erweichen. Sie hatte klare graue Augen, eine niedliche Stupsnase, einen schnellen, wachen Verstand und eine entzückend schräge Lebenseinstellung, die ihn häufig zum Lachen brachte.
»Und dann?«
Zweifellos wusste der Mann bereits, was geschehen war, ohne dass Jordan es ihm haarklein schilderte. Egal. Er würde es trotzdem tun.
»Ich war auf einer Party … einem Ball, um genau zu sein. Eigentlich hätte ich gar nicht hingehen sollen. Ich war gerade erst wieder in die Staaten gekommen, von einem … Job, der nicht gut gelaufen war. Ich hatte so gut wie gar nicht geschlafen, war in miserabler Stimmung und hatte zu viel getrunken.« Er rieb sich übers Gesicht. Wieder verfiel er in sein übliches Muster und dachte sich Entschuldigungen für sich aus, wo es keine gab. »Und dann war sie da … wie eine wunderschöne Göttin.«
»Und mit ›sie‹ meinen Sie vermutlich Devon, die inzwischen erwachsen geworden war.«
»Ja, aber mehr als das. Sie hatte sich so sehr verändert, dass ich sie nicht erkannte. Ich sah eine atemberaubend
schöne erwachsene Frau, kein unschuldiges, unerfahrenes Kind.«
McCall runzelte die Stirn. »Hatten Sie nicht gesagt, sie war einundzwanzig?«
»Das ist unerheblich. Ich war acht Jahre älter, entsprechend erfahrener. Ich hätte ihre Maskerade durchschauen müssen.«
»Also, Sie haben sie nicht erkannt, und Devon beschloss, ihre Identität geheim zu halten?«
»Ja, anscheinend hatte sie seit Jahren für mich geschwärmt, was mir nie so richtig bewusst gewesen war. Sie sah mich auf dem Ball und beschloss wohl, ihre Weiblichkeit auszutesten.«
»Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie mit ihr geschlafen haben?«
Jordan unterdrückte ein bitteres Lachen. Das nur zwanzig Minuten andauernde, aber dennoch intensivste sexuelle Erlebnis seines Lebens war wohl mit diesem gefühllosen Begriff kaum treffend umschrieben. Er verspürte plötzlich den Wunsch, sich alles von der Seele zu reden. »Nachdem es vorbei war, verschwand sie. Ich wusste immer noch nicht, dass es Devon war … Sie hatte mir gesagt, ihr Name sei Mary. Ungefähr eine Stunde später rief Devons Mutter mich an. Sie hatte irgendwie herausbekommen, was Devon getan hatte, und erzählte mir einen Haufen Lügen. Ich war so blöd, ihr zu glauben. Ein paar Minuten nach dem Anruf kam Devon wieder zu mir, und ich machte ihr übelste Vorhaltungen, als hätte sie ein Schwerverbrechen begangen.«
»Können Sie mir erzählen, was Sie gesagt haben?« Als Jordan ihn wütend ansah, zuckte McCall bloß mit den Schultern. »Es könnte helfen, aber wenn Sie nicht wollen …«
Ohne dass er sich im Geringsten anstrengen musste, kehrte Jordan im Geiste zu dem einen Ereignis zurück, das er so bitter bereute. »Alise, Devons Mutter, erzählte mir, Devon hätte versucht, zwei andere ihrer Freunde zu verführen, und
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