Reseph
und spuckte Blut in den vormals makellosen Schnee. »Aber einige von Kynans und Vals Vorstellungen, wie die Aegis auftreten sollte, sind durchaus berechtigt. Wir sind darauf angewiesen, dass die Menschen uns vertrauen, und dürfen nicht rücksichtslos jeden unterbuttern, nur weil wir dazu in der Lage sind.«
»Wir tun, was wir tun müssen. Aufgrund der ›neuen, sanfteren‹ Regeln wäre beinahe die Apokalypse eingetreten. Wir werden nicht zulassen, dass das noch einmal passiert.«
Jillian überprüfte einen ihrer Zähne mit der Zunge. »Ich versteh das nicht.« Ihre Worte waren undeutlich, da ihre Lippe blutete.
»Einige unserer Kollegen sind Dämonen-Liebhaber. Kynan hat sogar eine dieser verfluchten Kreaturen geheiratet, und Vals Tochter ist ein Vampir. Darum wollten sie, dass wir uns alle mit diesen Missgeburten anfreunden, anstatt sie zu töten. Als eine Dämonin namens Sin auftauchte, hat Kynan sie am Leben gelassen, anstatt sie zu eliminieren, und sie hat dann die Seuche in die Welt gesetzt, die Pestilence’ Siegel gebrochen hat.« Lance schnaubte. »Wir hätten Kynan schon damals auf der Stelle rauswerfen sollen.«
»Da wirst du von mir keinen Widerspruch hören«, sagte Juan.
»Also«, Lance öffnete ein Taschenmesser, »deine Schmerzen haben Pestilence anscheinend nicht hergeholt. Wollen wir mal sehen, ob es deinen Schreien gelingt.«
Von Todesangst erfüllt versuchte Jillian rückwärts außer Reichweite zu krabbeln. Der Schrei, den er so gerne hören wollte, saß in ihrer Kehle fest. Er stürzte sich auf sie, packte sie beim Kragen ihrer Jacke und zerrte sie zu sich, während er ihr die Messerspitze unter das rechte Auge hielt.
Mit einem Mal durchdrang ein Knurren die Luft, das aus dem Wald zu kommen schien.
Lance lächelte. »Wie es aussieht, kommt dein Liebster herbeigeeilt, um dich zu retten.«
Der tiefe Schrei eines Mannes gesellte sich zu einem Chor knurrender Laute und dem schaurigen feuchten Geräusch zerreißenden Fleisches. Ein Schauer, der nichts mit der Kälte zu tun hatte, fuhr Jillians Rückgrat hinab. Sie kannte diese Laute.
»Seelenschänder«, flüsterte sie heiser. »Oh, Scheiße –«
Zwei Dämonen stürzten aus dem Gebüsch und rannten mit weit aufgerissenen Mäulern, von denen Speichel und Blut trieften, auf sie zu. Lance und Juan schleuderten laut fluchend Waffen auf die Kreaturen, während Jillian versuchte, sich in ihr Haus zu retten. Doch ihre Panik und der vereiste Boden behinderten sie, sodass sie immer wieder ausglitt und ausrutschte.
Gerade als sie nach der Schneeschaufel griff, die an der Veranda lehnte, packte Lance sie am Fußknöchel. »Du kleines Miststück! Sieh dir nur an, was dein Freund uns geschickt hat!«
Reseph hatte diese Dämonen nicht geschickt, das wusste sie, aber es hatte keinen Sinn, jetzt darüber zu streiten. Sie trat nach Lance, und es gelang ihr, ihn fortzustoßen. Überall um sie herum rannten Aegis-Leute auf die Dämonen zu. Sie packte die Schaufel und wirbelte herum. Gleich darauf musste sie einen Schrei unterdrücken, als einer der Seelenschänder seine Faust in Juans Brustkorb stieß und ihm einfach so Herz und Lungen herausriss.
Ein wirrer Wortschwall von Flüchen und Beleidigungen ergoss sich aus Lance’ Mund. Er hörte nicht einmal auf zu schreien, als er ein Ende seiner S-förmigen Klinge in den Rücken des Dämons versenkte. Jillian schwang ihre Schaufel und traf den Seelenschänder genau in der Körpermitte. Die Kreatur kreischte und fuhr herum, ließ den Arm auf den Holzstiel niedersausen und brach ihn entzwei. Lance wurde in einem wirren Knäuel von Gliedmaßen in den Schnee geschleudert. Die anderen Wächter griffen an, doch auch wenn einer der Seelenschänder schwer verletzt war, ließ sich der andere nicht aufhalten.
»Bringt die Schlampe ins Haus«, schrie Lance.
Einer der Wächter löste sich aus dem Kampfgetümmel um die beiden Dämonen und eilte zu ihr. Sie bereitete sich darauf vor, sich zu verteidigen, indem sie den Schaufelgriff wie einen Baseballschläger packte. Doch dann rannte aus dem Nichts ein großer Mann in zerrissener Jeans und einem schäbigen, vergilbten T-Shirt den Wächter über den Haufen. Wer zur Hölle war das denn? Aber es blieb keine Zeit zu fragen, nicht, solange sowohl Dämonen als auch Menschen hinter ihr her waren. Sie brauchte Hilfe.
So schnell sie konnte, erklomm sie die Veranda, nur um auf dem vereisten Holzboden gleich wieder auszurutschen. Irgendwie gelang es ihr, auf allen vieren
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