Reseph
beeindruckend.
Vollkommen nackt und mit leuchtender Haut betrachtete Reseph durch Pestilence’ Augen seine Familie. Einige waren gerade verletzt worden. Ares zog sich ein Stück Metall aus dem Oberschenkel. Thanatos blutete aus einem Schnitt an der Wange. Limos und Arik waren unversehrt, genau wie Kynan.
Jillian!
Reseph fuhr herum, ohne auf Pestilence’ gackerndes Gelächter zu achten. Blut bedeckte den Boden an der Stelle, wo Jillian eben noch gestanden hatte, aber es ging ihr gut. Reaver musste sie hinter sich geschoben haben. Der Engel allerdings hielt sich den Bauch, aus dem ein Stück Metall herausragte, das die Größe eines Suppentellers hatte.
Lustig.
Reseph wollte helfen. Wollte sagen, dass es ihm leidtat. Aber Pestilence hatte ihm die Stimme genommen. Er fühlte sich wie ein Zuschauer, als seine eigene Hand sich zu einer
Kommt-zu-Papa
-Geste ausstreckte. Mit einem Schlag wurden sämtliche Stücke seines Panzers aus den Wänden, den Möbeln und aus Körpern herausgerissen und fügten sich wieder zusammen.
Wir sind so stark
, schrie Pestilence.
Jetzt können wir sogar im Himmel herrschen!
Eins nach dem anderen
, ermahnte ihn Reseph.
Zuerst einmal müssen wir Luzifer vernichten.
Der machtgierige Dämon ließ ihn durch ein zufriedenes Schnurren erkennen, dass er diesen Plan guthieß.
Und mit den beiden Amuletten und Luzifers Blut können wir die Barriere zwischen Sheoul und dem Himmel aufbrechen.
Das Behältnis, in dem Pestilence gefangen gesessen hatte, stand weit offen. Es war leer. Reseph wusste ohne jeden Zweifel, dass der Kampf um die Freiheit beginnen würde, sobald der Kampf gegen Luzifer beendet war. Einer von ihnen würde in das Behältnis zurückkehren.
Widerwillig überließ Reseph Pestilence die Führung. Pestilence’ Ausstrahlung reiner Bösartigkeit würde ihnen von Nutzen sein, und sie brauchten jetzt jeden Vorteil, den sie nur kriegen konnten.
Doch Reseph weigerte sich, allzu tief abzutauchen. Er hatte schreckliche Angst davor, sich vielleicht nie wieder an die Oberfläche zurückarbeiten zu können, wenn er sich zu tief hinter Pestilence zurückzog.
An der Wohnzimmertür hielt Pestilence, dieses Arschloch, inne. Ganz langsam drehte er sich zu Jillian um, und Reseph fühlte Pestilence’ abartige Lust, die seine Lenden erhitzte.
Der Vorfall auf dem Parkplatz blitzte in Resephs Kopf auf: Jillians Schreie, ihre Todesangst, Pestilence’ kranke Vorfreude. Die Dinge, die er ihr hatte antun wollen, wenn die Seelenschänder erst einmal mit ihr fertig waren …
»Nein!« Reseph torkelte auf sie zu, doch jemand schob ihn aus dem Haus, und dann übernahm wieder Pestilence, der sich schier totlachte.
Sie bahnten sich ihren Weg durch die Dämonenarmee, traten nach denen, die sich nicht tief genug verbeugten, und köpften diejenigen, die sich überhaupt nicht verbeugten.
Luzifer, der auf der kleinen Anhöhe hinter seiner Armee stand, sah ihnen grinsend entgegen. »Na, willst du noch mehr? Oder bist du hier, um dich zu ergeben?«
»Weder noch.« Die Stimme, die aus Resephs Mund drang, war rauchig und harsch, sie war von Macht durchtränkt, und Luzifers Gesichtszüge entgleisten.
»Pestilence.« Luzifer kniff die Augen zusammen. »Was für ein Trick ist das? Ich spüre Macht um dich herum.«
»Trick?« Pestilence und Reseph waren in Sprache und Gedanken im absoluten Gleichklang. Zum ersten Mal wurde Reseph klar, wie eng sie tatsächlich miteinander verbunden waren. »Wir sind hier, um dich fertigzumachen, du Schwanzlutscher.«
Luzifer zögerte nicht. Er warf seine menschliche Haut ab und verwandelte sich in eine gewaltige, mit dicken Adern überzogene Bestie. Seine Spannweite betrug beinahe zehn Meter und aus seinem Schädel ragten Hörner, als ob er der größte Stier der Welt wäre. Mit einer blitzschnellen Geste ließ er einen lavaheißen Energieblitz durch Resephs Panzer schießen. Doch der Schmerz, der Reseph erreichte, war seltsam gedämpft, als ob er zwischen ihm und Pestilence aufgeteilt wäre.
»Du lächerliche Witzfigur.« Wieder waren Reseph und Pestilence völlig synchron. »Hinter uns steht die Macht des Himmels sowie die Macht der Hölle.« Er sah Luzifer mit zur Seite geneigtem Kopf an. »Und jetzt stirbst du.«
Reseph warf sich auf Luzifer und durchstieß mit seiner Faust eine der ledrigen Schwingen des Dämons. Knochen wurden zerschmettert, Haut zerfetzt. Luzifer brüllte vor Zorn auf, fuhr mit seinen gezackten Klauen über Resephs Gesicht und riss ihm die Wange auf.
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