Resident Evil - Sammelband 01 - Die Geburt des Boesen
einsam gefühlt, und für das Gesetz zu arbeiten, war ihr immer mehr wie ein Witz vorgekommen – die Tochter von Dick Valentine im Dienste der Wahrheit, Gerechtigkeit und des American Way of Life!
Ihre Beförderung zu den Alphas, ein hübsches kleines Haus in der Vorstadt – es war verrückt, und sie hatte ernsthaft darüber nachgedacht, einfach aus der Stadt zu verschwinden, den ganzen Kram hinzuwerfen und wieder das zu tun, was sie vorher getan hatte …
… bis die beiden kleinen Mädchen von gegenüber vor ihrer Tür aufgetaucht waren und Jill mit großen, tränennassen Augen gefragt hatten, ob sie wirklich eine Polizistin sei. Ihre Eltern waren auf der Arbeit und sie konnten ihren Hund nicht finden …
… Becky in ihrem grünen Schulkleidchen, die kleine Pris in ihrer Latzhose – beide schluchzend und verschüchtert …
Das Hündchen war nur zwei Blocks entfernt durch einen Garten spaziert, kein Problem – und Jill hatte zwei neue Freundinnen gewonnen, einfach so. Die Geschwister hatten sie prompt adoptiert, waren fortan nach der Schule vorbeigekommen, um ihr selbst gepflückte Blumensträuße zu bringen, und hatten an den Wochenenden in Jills Garten gespielt. Pausenlos hatten sie ihr Lieder vorgeträllert, die sie aus Filmen oder Zeichentrickserien kannten.
Es war nicht so, dass die Mädchen Jills Einstellung auf wundersame Weise verändert oder ihr das Alleinsein vollkommen versüßt hätten – aber irgendwie war der Gedanke fortzugehen in den Hintergrund gerückt, wo Jill ihn auch eine Zeit lang hatte ruhen lassen. Zum ersten Mal in ihren dreiundzwanzig Lebensjahren hatte sie angefangen, sich als Teil der Gemeinde zu fühlen, in der sie wohnte und arbeitete. Der Wandel war so heimlich, still und leise vonstatten gegangen, dass sie ihn kaum selbst bemerkt hatte.
Vor sechs Wochen hatten sich Becky und Pris dann bei einem Familienpicknick im Victory Park verlaufen – und waren die ersten beiden Opfer der Psychopathen geworden, die seither die abgeschiedene Stadt terrorisierten.
Das Foto zitterte leicht in Jills Hand, ersparte ihr kein Detail. Becky lag auf dem Rücken und starrte blicklos zum Himmel auf, ein klaffendes, gezacktes Loch im Bauch. Pris lag neben ihr, mit ausgebreiteten Armen, aus denen man ihr brutal Fleischfetzen herausgerissen hatte. Beide Kinder waren regelrecht ausgeweidet worden und nicht erst am Blutverlust gestorben, sondern bereits vorher als Folge des Schocks. Wenn sie geschrien hatten, dann hatte niemand ihr Schreien gehört …
Das reicht! Ja, sie sind tot, aber du kannst in dieser Sache endlich etwas tun!
Jill stopfte die Papiere ungeschickt zurück in die Mappen, atmete tief durch und trat ins Freie. Es war früher Abend. Der Geruch von frisch gemähtem Gras hing schwer in der warmen Luft. Irgendwo die Straße runter bellte fröhlich ein Hund inmitten lärmender Kinder.
Sie eilte auf den verbeulten grauen Kombi zu, der am Gehsteig parkte, und während sie den Wagen startete und vom Bordstein lenkte, zwang sie sich, nicht zum still daliegenden Haus der McGees hinüberzusehen. Jill fuhr mit offenen Fenstern durch die breiten Straßen ihres Vorstadtviertels, knapp über dem Tempolimit, aber sorgsam auf Kinder und Tiere achtend. Es waren nicht viele zu sehen. Seit diese furchtbare Geschichte angefangen hatte, gingen immer mehr Leute dazu über, ihre Sprösslinge und Haustiere nur noch selten aus dem Haus zu lassen, selbst tagsüber.
Der Kombi begann zu vibrieren, als Jill ihn auf der Zufahrt zum Highway 202 beschleunigte. Trockene warme Luft peitschte ihr das Haar aus dem Gesicht. Es war ein angenehmes Gefühl, so, als wache man aus einem bösen Traum auf. Sie fuhr durch den sonnengesprenkelten Abend, und die Schatten der Bäume entlang der Straße wurden länger.
Ob es nun Schicksal war oder einfach nur Zufall, ihr Leben war berührt worden von dem, was in Raccoon City vorging. Sie konnte nicht länger so tun, als sei sie nur eine ausgebrannte Ex-Diebin, die versuchte, nicht in den Knast zu wandern und sich anzupassen, nur um ihrem Vater eine Freude zu machen – oder dass der Fall, mit dem S.T.A.R.S. sich beschäftigte, bloß ein weiterer Job war. Es war von Bedeutung . Es machte ihr etwas aus, dass diese Kinder tot waren und dass ihre Mörder noch immer frei herumliefen und weiter morden konnten.
Der Aktenstoß neben Jill flatterte leicht, der Deckel der oberen Mappe fing sich im Wind – vielleicht waren es auch die neun ruhelosen Geister, die von Becky und
Weitere Kostenlose Bücher