Resident Evil - Sammelband 02 - Der Umbrella-Faktor
ging bergab mit dem Mann, und zwar rapide. Sie waren einander nie offiziell vorgestellt worden, doch Leon hatte ihn schon einmal gesehen. Der junge afro-amerikanische Streifenpolizist war ihm als scharfsinnig beschrieben worden, er war auf der Schnellspur zum Rang eines Detectives gewesen – Marvin, Marvin Branagh …
„Ich bin Kennedy. Was ist hier passiert?“, fragte Leon, seine Hand immer noch auf Branaghs Schulter. Fiebrige Hitze strahlte durch das zerrissene Hemd des Officers.
„Vor etwa zwei Monaten“, krächzte Branagh, „die Kannibalenmorde … die S. T. A. R. S.-Leute fanden Zombies draußen in der Villa im Wald … “
Er hustete schwach, und Leon sah, wie sich im Mundwinkel des Mannes eine Blutblase bildete. Leon setzte an, ihm zu sagen, dass er ruhig sein und sich ausruhen solle, doch Branaghs entrückter Blick schien nach dem von Leon zu greifen, daran Halt zu finden. Der Cop wirkte fest entschlossen, die Geschichte zu erzählen, was es ihn auch kosten mochte.
„Chris und die anderen bekamen heraus, dass Umbrella hinter der ganzen Sache steckte … riskierten ihr Leben, aber niemand glaubte ihnen … dann das.“
Chris … Chris Redfield. Claires Bruder.
Leon hatte die Verbindung zuvor nicht geknüpft, obwohl er schon von dem Ärger mit den S. T. A. R. S.-Mitgliedern gewusst hatte. Er hatte nur Bruchstücke der Story gehört – die Suspendierung der Leute vom Special Tactics and Rescue Squad nach ihrem angeblich falschen Vorgehen in den Mordfällen war der Grund, weshalb das RCPD neue Cops eingestellt hatte. In irgendeiner Lokalzeitung hatte er sogar die Namen der betreffenden S. T. A. R. S.-Angehörigen gelesen, aufgelistet neben einer Reihe recht beeindruckender Karrieredaten –
– und Umbrella hat in dieser Stadt das Sagen, schon immer gehabt. Irgendein Leck im Chemiewerk muss passiert sein, etwas, das man vertuschen wollte, indem man sich das S. T. A. R. S. vom Hals schaffte …
All das ging Leon im Bruchteil einer Sekunde durch den Sinn, dann hustete Branagh abermals, und diesmal war der Laut noch schwächer als zuvor.
„Halt durch“, sagte Leon und sah sich hastig nach etwas um, womit er die Blutung stoppen konnte, während er sich innerlich in den Hintern trat, weil er es nicht längst schon getan hatte. Einer der Spinde neben Branagh stand halb offen, auf dem Boden lag ein zerknülltes T-Shirt. Leon schnappte es sich, faltete es planlos zusammen und presste es gegen Branaghs Bauch. Der Cop legte seine eigene blutige Hand auf den provisorischen Verband und schloss die Augen, als er keuchend fortfuhr.
„Mach dir … um mich keine Sorgen. Da sind … Du musst versuchen, die Überlebenden zu retten … “
Die Resignation in Branaghs Stimme war entsetzlich offenkundig. Leon schüttelte den Kopf, wollte die Wahrheit leugnen, wollte etwas tun, um Branaghs Schmerzen zu lindern – doch der verletzte Cop starb, und es gab niemanden, den Leon zu Hilfe hätte rufen können.
Nicht fair, das ist nicht fair!
„Geh“, schnaufte Branagh, die Augen weiter geschlossen.
Branagh hatte recht, es gab nichts, was Leon tun konnte – aber er rührte sich einen Moment lang nicht vom Fleck, konnte es nicht – , bis Branagh seine Waffe von neuem hob und auf Leon richtete, in einem plötzlichen Aufflackern von Energie, das seine Stimme zu einem rauen Rufen anschwellen ließ.
„ Geh schon!“, befahl Branagh. Leon stand auf und fragte sich, ob er in dieser Situation ebenso selbstlos gewesen wäre. Zugleich versuchte er sich davon zu überzeugen, dass Branagh es schon irgendwie schaffen würde.
„Ich komme wieder“, sagte Leon knapp, doch Branaghs Arm sank schon wieder herab, sein Kinn fiel ihm auf die sich hebende und senkende Brust.
Rette die Überlebenden.
Leon wich rückwärts zur Tür zurück, schluckte hart und mühte sich, die Planänderung zu akzeptieren, die ihn leicht das Leben kosten konnte – vor der er sich aber auch nicht drücken konnte. Offiziell oder nicht, er war ein Cop. Wenn es andere Überlebende gab, dann war es seine moralische und seine Pflicht als Bürger zu versuchen, ihnen zu helfen.
Im Keller befand sich eine Waffenkammer, unweit der Tiefgarage. Leon öffnete die Tür und trat wieder hinaus in die Lobby, betete, dass die Schränke gut bestückt sein würden – und dass noch jemand da war, der ihm helfen würde.
ZEHN
Vom brennenden Dach aus ging Claire einen mit Glasscherben übersäten Gang entlang – vorbei an einem toten Cop, der blutiger Beweis war
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