Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
seiner linken Hand ein und fand einen Namen: Steven Burnside. Das sagte ihm nichts, und als der Junge unentschlossen zögerte, lenkte Alfred sein Augenmerk wieder auf seine Beute, weil er neugierig auf die junge Frau war, die schon bald seine Spielgefährtin sein würde.
Claire überquerte die beschädigte Brücke über die Schlucht nur wenige Augenblicke nach Burnside, und dabei lief sie wie eine Sportlerin auf den Fußballen. Sie wirkte sehr selbstbeherrscht, besonnen, aber nicht übervorsichtig, als sie die Brücke passierte … aber sie achtete auch sorgsam darauf, nicht in die dunstgefüllte Dunkelheit hinabzusehen, die sich zwischen den schroffen Felswänden Hunderte Fuß in die Tiefe erstreckte, und sie zögerte auch nicht. In der wohligen Sicherheit seines Hauses lächelte Alfred, als er sich ihre köstliche Furcht ausmalte … und plötzlich erinnerte er sich eines Streiches, den er und Alexia einmal einem Wachmann gespielt hatten.
Sie waren damals sechs oder sieben Jahre alt gewesen, und Francois Celaux, einer der liebsten Mitarbeiter ihres Vaters, war Schichtführer. Er war ein schmeichlerischer Kriecher, ein Stiefellecker, aber nur Alexander Ashford gegenüber. Hinter dem Rücken ihres Vaters hatte er es gewagt, eines Nachmittags gefühllos über Alexia zu lachen, als sie in strömendem Regen hingefallen war und sich ihr neues blaues Kleid mit Schlamm beschmutzt hatte. Solch eine Beleidigung durfte nicht ungesühnt bleiben.
Oh, wie wir Pläne schmiedeten, bis spät in die Nacht über eine angemessene Bestrafung für sein unverzeihliches Verhalten sprachen. Unsere kleinen Köpfe arbeiteten auf Hochtouren und schwirrten ob all der Möglichkeiten …
Der letztendliche Plan war einfach gewesen, und schon zwei Tage später, als Francois Wachdienst am Haupttor schob, hatten sie ihn perfekt ausgeführt. Alfred hatte den Koch zuckersüß dazu überredet, dass er Francois seinen Morgen-Espresso bringen durfte, eine Gefälligkeit, die er bevorzugten Angestellten oft erwies … und auf dem Weg zur Brücke über die Kluft hatte Alexia das starke, bittere Gebräu ein wenig „nachgewürzt“, nur ein paar Tropfen einer kurare-ähnlichen Substanz, die sie selbst synthetisiert hatte. Das Gift lähmte die Muskeln, ließ das Nervensystem aber weiter funktionieren, sodass das Opfer weder sprechen noch sich bewegen, aber alles spüren und verstehen konnte, was mit ihm geschah.
Alfred hatte sich dem Gefängnistor langsam genähert, so langsam, dass der ungeduldige Francois ihm entgegen gelaufen war. Lächelnd und wohl wissend, dass Alexia ins Haus zurückgekehrt war und vom Überwachungsraum aus zusah und -zuhörte – Alfred trug ein kleines Mikrofon bei sich – , trat er ganz dicht an das Geländer, bevor er sich entschuldigte und Francois die Mokkatasse reichte. In stiller Freude sahen die Zwillinge zu, wie der Wachmann den Espresso trank. Und schon Sekunden später schnappte er nach Luft und lehnte sich schwer gegen das Brückengeländer. Für jemanden, der sie zufällig sah, musste es den Anschein haben, als blickten der Mann und der Junge lediglich in die Schlucht hinab … außer für Alexia natürlich, die ihm später verriet, dass sie seiner unschuldigen Vorführung applaudiert hatte.
Ich sah zu ihm auf, in den erstarrten Ausdruck von Angst in seinen ungeschlachten Zügen, und erklärte ihm, was wir getan hatten. Und was wir noch tun würden.
Francois hatte es tatsächlich geschafft, einen leisen Quieklaut zwischen seinen zusammen gepressten Kiefern hervorzuquetschen, als er endlich begriff, dass er zu hilflos war, um sich selbst gegen ein Kind zur Wehr zu setzen. Fast fünf Minuten lang beschimpfte Alfred den Wachmann fröhlich als Schweinekerl, als Bauern ohne Manieren und stach ihm unzählige Male mit einer Nähnadel in das Fleisch seiner Schenkel.
Gelähmt konnte Francois Celaux nichts anderes tun, als die Schmerzen und die Demütigung zu erdulden, und sicherlich bereute er sein abscheuliches Benehmen Alexia gegenüber, während er still vor sich hinlitt. Und als Alfred des Spielchens überdrüssig wurde, trat er einige Male gegen die schmutzigen Stiefelabsätze des Wachmanns, wobei er Alexia jede Empfindung beschrieb, während Francois hilflos unter dem Geländer hindurchrutschte und in den Tod stürzte.
Und dann schrie ich und gab vor zu weinen, als andere über die Brücke herbeieilten und verzweifelt versuchten, ihren jungen Herrn zu trösten, derweil sie einander fragten, wie so etwas Furchtbares
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