Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter

seiner Unwissenheit. Er ist so dumm, so blind, wie kann er nur so minderwertig und immer noch am Leben sein? Nicholai wusste, dass der Gedanke nicht unbedingt vernünftig war, aber er war stocksauer auf Chan. Davis Chan verdiente es nicht, ein Spürhund zu sein, er verdiente es nicht zu leben .
    Nach und nach fand Nicholai seine Beherrschung wieder, atmete tief ein und aus und zwang sich, in Zweierschritten bis hundert zu zählen. Das Spiel war noch in einem frühen Stadium. Außerdem basierte Nicholais Plan darauf, über Informationen zu verfügen, die Umbrella haben wollte – und wenn er diese Informationen stehlen wollte, musste er den anderen Spürhunden zumindest etwas Zeit lassen, um diese auch zusammenzutragen. Die täglichen Lageberichte waren lediglich Zusammenfassungen der Situation vor Ort und der Zahl der Toten, deren Zweck im Grunde nur in der Meldung an sich bestand. Die eigentlichen Daten wurden auf Disk gespeichert, aus gefundenen Unterlagen übernommen oder aus den Daten von jemand anderem herausgesucht und nur dann heruntergeladen, wenn der Spürhund meinte, sie seien von entscheidender Bedeutung.
    Und … während ich warte, kann ich nach meinen Freunden bei der Straßenbahn sehen.
    Nicholai blieb stehen, von der Erkenntnis gebannt, dass er es wirklich genossen hatte, Carlos und Mikhail zu täuschen. Dass es zwei waren, hatte die Sache irgendwie zu einer aufregenderen Variante des Spiels erhoben. Hegten sie einen Verdacht? Was redeten sie über seinen plötzlichen Abgang? Was hielten sie von ihm?
    Und wie wäre es, Mikhails langsames, qualvolles Sterben mit anzusehen, zuzuschauen, wie er alle Vernunft verliert, während der junge Protagonist Carlos sich vergeblich bemüht, das Unvermeidliche zu verhindern?
    Nicholai seufzte. Er könnte den Glockenmechanismus deaktivieren, wenn sie den Uhrenturm erreichten … sich vielleicht selbstlos freiwillig melden, um das Krankenhaus zu finden, um Material zu beschaffen …
    Plötzlich lachte er auf – ein hartes, bellendes Geräusch in der Stille des Raumes. Er musste ohnehin Dr. Aquino töten – den Wissenschaftler, der sich vom Krankenhaus aus melden sollte und der mit dem Impfstoff arbeitete – , und er wusste, dass Aquino den Befehl erhalten hatte, sich um die Zerstörung des Krankenhauses zu kümmern, ehe er Raccoon verließ, um alle Spuren seiner Forschungen zu beseitigen. Außerdem wurde eine besondere Spezies im Krankenhaus gelagert, die Umbrella aufzugeben beschlossen hatte: die Hunter-Gamma-Serie. Man schlug also mit der Sprengung des Krankenhauses zwei Fliegen mit einer Klappe.
    Es schien, als seien die HG s nicht kosteneffektiv genug, obwohl es in der Administration ernstliche Meinungsverschiedenheiten darüber gegeben hatte, ob man die Prototypen vernichten sollte oder nicht. Wenn Nicholai Carlos dazu bringen konnte, gegen einen davon zu kämpfen, würde er wertvolle Informationen gewinnen, die er verkaufen konnte … und so würde auch er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.
    Alles fügte sich zusammen, das Ganze hatte eine Art Symmetrie. Natürlich würde er das Komplott aufgeben, sobald etwas schief lief oder er feststellte, dass es nicht zu seinem eigentlichen Plan passte. Er war kein Idiot – aber ein Projekt zu haben, mit dem er sich die Wartezeit vertreiben konnte, würde verhindern, dass seine Frustration allzu dominant wurde.
    Nicholai machte kehrt und hielt auf die Tür zu. Er war amüsiert über seine Nachgiebigkeit gegenüber sich selbst. Raccoon City glich einem von Dämonen heimgesuchten Königreich, in dem er der alleinige Herrscher war. Er konnte tun und lassen, was ihm beliebte – alles , was er nur wollte. Lügen, morden oder sich im Glanz der Niederlage eines anderen sonnen. Er konnte sich alles nehmen und erlauben, und am Ende würde es sich auch noch bezahlt machen.
    Er fühlte sich wieder wie er selbst. Es war Zeit das Spiel zu spielen.

DREIZEHN
    Jill hatte endlich beschlossen, den Stahlrollladen zu öffnen und einen Ausbruchversuch zu wagen, als sie von draußen Schüsse hörte – das hohe Rattern eines Sturmgewehrs. Zu sagen, dass sie erleichtert war, wäre eine Untertreibung gewesen. Das unnachgiebige Klopfen der Toten draußen hatte an ihren Nerven gezehrt, sie beinahe in Versuchung geführt, sich selbst zu erschießen, nur damit sie es nicht mehr länger anhören musste – und jetzt, innerhalb von Sekunden, war es wieder ruhig.
    Rasch ging sie zur Seitentür der Werkstatt, duckte sich hinter einem