Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
könnte sein. Es ist gerade so verklausuliert, dass es nervt.“
Sie fasste nach vorne und berührte leicht die Schale des mittleren Bildes, dem einer tanzenden Frau. Es gab ein kaum hörbares Klicken, und die Schale neigte sich wie eine Waage, das Gewicht von Jills Hand drückte sie nach unten. Gleichzeitig begannen sich die Zeiger der Uhr zu drehen.
Jill riss ihre Hand zurück, fürchtete, dass sie etwas in Gang gesetzt hatte, und die Uhrenzeiger bewegten sich rasch wieder auf ihre ehemaligen Positionen. Sonst passierte nichts.
„Hände zusammen … “, murmelte sie. „Meinst du, das heißt, dass alle Uhren auf dieselbe Zeit gestellt werden müssen? Oder ist es eher wörtlich gemeint, soll man die Zeiger in einer Reihe ausrichten?“
Carlos zuckte die Achseln und streckte die Hand aus, um die Schale der Zukunftsgöttin zu berühren, unbestreitbar das unheimlichste Gemälde. Die Göttin der Vergangenheit war ein junges Mädchen, das auf einem Hügel saß, die der Gegenwart eine tanzende Frau … und die Göttin der Zukunft war eine Frau in einem hautengen Cocktailkleid, ihr Körper in aufreizender Pose – aber mit dem fleischlosen, grinsenden Gesicht eines Totenschädels.
Jill unterdrückte ein Schaudern und ließ nicht zu, dass ihre Gedanken sich mit dem Thema drohender Tod beschäftigten. Als ob ich davon nicht schon genug hätte.
Die Schale, die Carlos berührte, senkte sich ebenfalls, aber es waren die Zeiger der Uhr der Gegenwartsgöttin, die in Bewegung gerieten. Offenbar waren die anderen beiden Uhren auf Mitternacht fixiert.
Jill trat von der Wand zurück, verschränkte die Arme und überlegte – und plötzlich hatte sie es, sie wusste, wie das Rätsel funktionierte, kannte vielleicht sogar die komplette Lösung. Sie drehte sich um, hoffte, dass die fehlenden Teile in der Nähe waren und lächelte, als sie die drei Statuen sah – ach, welch eine Symmetrie – und die glänzenden Gegenstände, die sie in den schlanken Steinfingern hielten.
„Es ist ein Balance-Spiel“, sagte Jill und ging zu den Statuen. Bei näherer Betrachtung stellte sie fest, dass jede eine Schale mit einem faustgroßen Stein hielt. Sie nahm die Steine auf, wog jeden einzelnen in der Hand und registrierte das unterschiedliche Gewicht.
„Drei Steine, drei Schalen“, fuhr sie fort, ging zu den Bildern zurück und reichte Carlos den schwarzen Stein, der aus Obsidian oder Onyx bestand, sie war sich nicht sicher. Ein anderer war kristallklar, der dritte wirkte, als bestünde er aus glühendem Bernstein.
„Und das Ziel besteht darin, die Zeiger der mittleren Uhr auf Mitternacht zu stellen.“ Carlos verstand.
Jill nickte. „Ich bin sicher, dass die Lösung ein Motiv hat, eine farbliche Übereinstimmung, schwarz für Tod vielleicht … oder vielleicht ist es etwas Mathematisches. Es ist egal, es wird nicht allzu lange dauern, alle möglichen Kombinationen durchzuprobieren.“
Sie machten sich ans Werk, legten jeden Stein der Reihe nach in die Schalen der Gemälde, und Jill beobachtete jedes Mal sorgsam die Bewegungen der Zeiger an der Gegenwartsuhr. Es schien, als kämen den Steinen verschiedene Wertigkeiten zu, je nachdem, in welcher Schale sie lagen. Jill bekam gerade das Gefühl, sie könne es ausknobeln – es war definitiv eine mathematische Angelegenheit – , als sie aus purem Glück auf die Lösung kamen.
Als der Kristall in der Schale der Vergangenheitsgöttin lag, der Obsidian unter der Gegenwartsgöttin und der Bernstein in der Zukunftsschale, zeigte die mittlere Uhr Mitternacht und läutete leise. Der Minutenzeiger begann sich mit rasselndem Geräusch rückwärts zu bewegen – und dann fiel das Zifferblatt der Uhr aus dem Bild, herausgedrückt von einer Vorrichtung, die Jill nicht sehen konnte. In der Öffnung dahinter befand sich das goldglänzende Zahnrad, das im Glockenmechanismus des Turmes fehlte.
Gewitzt zwar, ihr Blödmänner – aber nicht gewitzt genug.
Carlos hatte die Stirn in Falten gelegt, seine Miene zeigte unverhohlene Verwirrung. „Was zum Teufel soll das eigentlich alles? Wer hat das Zahnrad überhaupt versteckt, und warum auf so komplizierte Weise?“
Jill nahm das glänzende Zahnrad aus seinem Versteck und entsann sich ihrer eigenen Gedanken zu eben diesem Thema vor gerade mal sechs Wochen, als sie in den dunklen Fluren der Spencer-Villa gestanden hatte. Warum nur diese aufwändige Geheimniskrämerei? Die Unterlagen, die Trent ihr unmittelbar vor der Mission in der Villa gegeben hatte,
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