Resident Evil - Sammelband 03 - Im Netz der Verraeter
die Stationen darauf ausgerichtet, nur zu empfangen – eine weitere Vorsichtsmaßnahme, aber Nicholai meinte dennoch, dass diese Orte gefährlich waren. Wenn er einen Agenten in eine Falle locken wollte, brauchte er nur eine der Empfangsstationen zu überwachen.
Oder wenn ich einen töten wollte. In der jetzigen Situation allerdings brauche ich nur hineinzuspazieren … oder ein Weilchen zu warten.
Er stand ein paar Meter entfernt von dem falschen Raum im Schatten eines großen Denkmals und dachte daran, wie schön es sein würde, Captain Davis umzubringen. Nicholai hatte in Erwägung gezogen, einfach durch die versteckte Tür zu platzen und ihn zu erschießen, aber er musste sich entspannen, in eine bessere Stimmung kommen. Chan würde früher oder später herauskommen, um eine Pinkelpause zu machen oder eine Zigarette zu rauchen, und indem er zuließ, dass sich seine Spannung steigerte, konnte Nicholai inzwischen ein paar seiner weniger erfreulichen Emotionen abbauen. Er tat es nicht oft. Er war nicht verrückt oder so, und für gewöhnlich bevorzugte er es, die Dinge in Gang zu halten; aber manchmal war es genau das, was ihn aus einem Stimmungstief herausholte – die Spannung vor einem Mord auszukosten.
Nicholai beobachtete die Tür – im Grunde eine in Angeln hängende Ecke der Hütte – und genoss den kühlen Regen, obwohl er wusste, wie elend er sich später fühlen würde, wenn er in nasser Kleidung herumlaufen musste. Er war dabei, jemandem das Leben zu nehmen. Für ein paar Augenblicke waren die Dinge etwas außer Kontrolle geraten, als er merkte, dass er den Impfstoff verloren hatte. Aber jetzt hatte er die Kontrolle wieder, und Davis Chan würde sterben. Nicholai war der Einzige, der es wusste, weil er über Chans Schicksal entschieden hatte.
Und Carlos ist tot, ich habe das verursacht. Ebenso Mikhail und drei Spürhunde. Was Jill Valentine anbelangte, konnte er keine wirkliche Aussage treffen, aber Nicholai hatte den verzweifelten Ausdruck auf Carlos’ Gesicht genossen , als dieser es ihm gesagt hatte. Was zählte, das Einzige, worauf es ankam, war, dass seine Feinde tot waren – und er immer noch lebte.
Als Davis Chan kurz darauf heraus in den Regen kam, hatte Nicholai den größten Teil seiner negativen Gefühle, hervorgerufen durch Selbstmitleid und ziellose Frustration, überwunden. Und als sein Messer mit Chan fertig war, fünfzehn Minuten später, war er wieder ganz der Alte. Chan indes ähnelte nicht länger etwas Menschlichem, doch Nicholai dankte den Überresten des Mannes herzlich dafür, dass sie ihn wieder auf den richtigen Weg gebracht hatten.
2.50 Uhr, 2. Oktober
Carlos,
ich bin zu der Kläranlage etwa eine Meile nordöstlich des Uhrenturms gegangen. Sie gehört Umbrella, dort gibt es vielleicht Ressourcen, die uns nützlich sein könnten. Ich werde zurückkommen, wenn ich mich dort umgesehen habe. Warte hier auf mich, wenigstens ein paar Stunden. Wenn ich bei Tagesanbruch nicht wieder hier bin, solltest du wahrscheinlich versuchen, auf eigene Faust aus der Stadt zu kommen. Ich danke dir für alles. Bleib bitte hier und ruh dich etwas aus. Ich bin gleich wieder da.
Jill
Carlos las die aufgerollte Nachricht noch zweimal, dann nahm er seine Weste, stand auf und sah auf seine Uhr. Jill war keine halbe Stunde fort. Er konnte sie noch einholen.
Hierzubleiben kam nicht in Frage. Sie hatte ihn entweder zurückgelassen, weil er verletzt war, oder weil sie ihn nicht weiter in Gefahr bringen wollte … und beides war für ihn inakzeptabel. Außerdem hatte er keine Gelegenheit gehabt, ihr zu erzählen, was Trent ihm gesagt hatte – dass es in einer Umbrella-Einrichtung nordwestlich der Stadt Hubschrauber gab, jedoch nordöstlich von der Stelle, wo sie jetzt, nach der Fahrt mit der Straßenbahn, waren. Offenbar handelte es sich um denselben Ort, zu dem Jill unterwegs war.
„Du weißt vielleicht, wie man Umbrella-Monstern den Arsch aufreißt, aber kannst du auch einen Helikopter fliegen?“, murmelte Carlos und schob ein neues Magazin in sein M16. Wenn sie ihn doch nur aufgeweckt hätte …
Er ging zur Tür, so bereit, wie er es nur sein konnte, und versuchte nicht zu tief einzuatmen. Er hatte Schmerzen, aber er würde schon durchhalten. Er hatte schon schlimmere Qualen gelitten und trotzdem seinen Job erledigt; einmal war er sechs Kilometer mit einem angebrochenen Knöchel marschiert, und viel schlimmer konnte es gar nicht kommen.
Carlos verschwendete keine Zeit darauf, sich
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