Resilienz: Das Geheimnis der psychischen Widerstandskraft Was uns stark macht gegen Stress, Depressionen und Burnout (German Edition)
die akute Überforderung oder Selbstüberforderung am Arbeitsplatz steht, sondern eine milde Depression, dann kann gerade das die falsche Strategie sein. »Lange zu schlafen oder grübelnd im Bett zu liegen, verstärkt die Depressionen eher«, warnt Hegerl. Viele Kliniken bieten sogar eine Wachtherapie gegen Depressionen an, bei der die Patienten die zweite Hälfte der Nacht nicht im Bett verbringen, sondern aufstehen sollen. Auch in Urlaub fahren sei nicht ratsam. »Die Depression reist mit«, sagt Hegerl. Sie müsse behandelt werden, dann mache das, was vorher Stress war, auch wieder Freude.
Während gesundes Essen, Sport, Entspannungstraining und ein neues Zeitmanagement Menschen helfen, die nur überlastet sind, ist es damit bei Depressionen nicht mehr getan, warnt auch der Direktor des Universitätsklinikums Bonn Wolfgang Maier. Hier sei therapeutische oder ärztliche Hilfe nötig, um auch langfristig erfolgreich zu sein.
Eigentlich sollte man meinen, dass den Betroffenen heutzutage schnell Hilfe angeboten wird – oder dass sie sich bald selbst Hilfe holen. Psychische Erkrankungen sind doch ständig ein Thema in Medien und Öffentlichkeit. Sollten sie da nicht längst ihr gesellschaftliches Stigma verloren haben? Doch trotz der vielen Ärzte, die sich dafür engagieren, trotz der mutigen Patienten, die wie der an Depressionen erkrankte Fußballspieler Sebastian Deisler, die vom Burn-out geplagte Kommunikationswissenschaftlerin und Anne-Will-Partnerin Miriam Meckel oder der ebenfalls ausgebrannte Sänger Peter Plate von der Band Rosenstolz ihre Geschichte in die Öffentlichkeit tragen, haben viele Menschen nach wie vor das Gefühl, diese Krankheiten anders als etwa die angebliche Managerkrankheit Herzinfarkt geheim halten zu müssen. Selbst dieBundesregierung nimmt die psychischen Störungen noch zu wenig ernst.
Seit 2009 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine Reihe von »Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung« ins Leben gerufen. Sie sollen »Fortschritte bei wichtigen Volkskrankheiten« erreichen, sagte die damalige Forschungsministerin Annette Schavan bei der Vorstellung des Programms. Doch die sechs Zentren, die seitdem gekürt wurden, widmen sich ausschließlich den körperlichen Leiden. Als Erstes wurden ein Deutsches Zentrum für Diabetesforschung eingerichtet sowie eines für neurodegenerative Erkrankungen, zu denen die Alzheimerkrankheit zählt. Dann folgte eines für Herz-Kreislauf-Forschung, eines für Infektionsforschung, eines für Lungenforschung und natürlich auch eines für Krebsforschung. Gemütskrankheiten wurden mit keinem Wort erwähnt. Dabei hat erst vor Kurzem eine umfassende Studie, die Daten aus 30 verschiedenen europäischen Staaten auswertete, ergeben, dass mehr als jeder dritte Europäer einmal im Jahr psychische Probleme hat. Krankheiten der Seele sind also ein wahres Volksleiden, ohne dass dies politische Auswirkungen hätte.
Psychische Krankheiten senken die Lebenserwartung stärker als alle anderen Leiden, ergab kürzlich eine Studie, die ein internationales Forscherteam unter der Leitung des Psychiaters Hans-Ulrich Wittchen und des Psychologen Frank Jacobi durchgeführt hat. Auch wird die Zahl der Jahre, die ein Mensch ohne größere gesundheitliche Einschränkungen verleben kann, durch psychische Störungen mit am stärksten reduziert.
Besonders häufig sind die Angststörungen, die 14 Prozent der Bevölkerung treffen; danach folgen Schlaflosigkeit (7 Prozent), Depressionen (7 Prozent), psychosomatische Erkrankungen (6 Prozent) und schließlich Alkohol- und Drogenabhängigkeit (4 Prozent). Während Frauen deutlich häufiger an Depressionen, Panikattacken und Migräne leiden, sind Männer bei Alkoholerkrankungen die Vorreiter.
Trotz der frappierend großen Verbreitung: Es ist nicht so, dass psychische Erkrankungen generell immer häufiger werden,wie oftmals berichtet wird. Lediglich die Depressionen nehmen zu, wobei zum Erschrecken der Forscher mehr und mehr Minderjährige betroffen sind. »Wir sehen bei jungen Leuten unter 18 Jahren ungefähr fünfmal so häufig eine voll ausgeprägte Depression wie früher«, sagt Hans-Ulrich Wittchen. Ansonsten konnten die Forscher jedoch keine dramatischen Entwicklungen feststellen. Vielmehr sei die Zahl der psychischen Erkrankungen nur in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg leicht angestiegen und dann wieder abgesunken.
Die Krankschreibungen aufgrund psychischer Leiden werden aber wohl weiter zunehmen. Denn
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