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Resteklicken

Resteklicken

Titel: Resteklicken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meschner Moritz
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Schwall trifft direkt vor Sascha auf den Boden, und es gibt ein ziemlich unappetitliches Geräusch, so als ob jemand einen Eimer auskippt.
    Simone hält sich die Hand vor den Mund, als ein erneuter Brechreiz sie überwältigt, und die ganze Kotze spritzt durch ihre Finger, und ich habe so ein bisschen die Befürchtung, dass ich mich vielleicht anstecken lassen könnte, dass ich mich auch gleich übergeben muss, und ich zünde mir schnell eine Zigarette an, um den säuerlichen Geruch zu überdecken, der binnen Sekunden vom Boden aufsteigt.
    Wahrscheinlich denkt Simone, dass dies alles nur ein Traum ist, denn ihre Reaktionen und Sinne scheinen merk­lich geschwächt, und erst als sie ein drittes Mal kotzen muss, nimmt sie ihre Beine sprichwörtlich in die Hand und rennt durch den Flur auf die Toilette und schlägt die Tür hinter sich zu.
    »Sie trifft bestimmt nicht mehr die Schüssel«, grinst Sascha. »Wetten?«
    »Ich hau ab«, sage ich, und ohne ein weiteres Wort bin ich durch die Tür, durchs Treppenhaus und im Freien, und ich übergebe mich in ein Gebüsch.
    Nach einer Weile geht es mir wieder etwas besser, und ich merke, wie die kalte Luft mir guttut, und ich beschließe, nach Hause zu laufen.
    Auf dem Weg weine ich nur ein einziges Mal.

Seit einer Dreiviertelstunde starre ich auf meinen Computermonitor und rauche eine Zigarette nach der anderen.
    Eine neue Nachricht im Postfach.
    Vielleicht ist sie von Steffi.

    Ich traue mich nicht, das Postfach zu öffnen, weil ich Angst davor habe, enttäuscht zu werden. Es ist viel schöner, sich der Illusion hinzugeben, dass die Nachricht, die da im Postfach liegt, TATSÄCHLICH von Steffi ist, und dass sie darin Dinge schreibt wie »Ich bin so traurig, ich weiß auch nicht, aber ich kann ohne dich einfach nicht leben« oder »Oh Mann, ich habe einen großen Fehler gemacht, und je mehr ich drüber nachdenke, desto mehr tut mir alles leid, und ich liebe dich immer noch so sehr!«.

    Nach einer Weile öffne ich das Postfach dann doch, denn ich bin so ziemlich alle Möglichkeiten durchgegangen und zu dem Schluss gelangt, dass WIRKLICH nur Steffi einen Grund dazu hat, mir zu schreiben.
    Natürlich ist die Nachricht von Sascha.
    War doch geil gestern!
    Zwischen dir und Sascha Hettmann
    Sascha Hettmann
    10. Oktober um 14:02
    Na, Alter, biste noch gut nach Hause gekommen? Sahst mir am Ende etwas blass aus. Bin vor ’ ner Stunde aufgestanden und jetzt bei mir. Was ist denn mit ’ nem Bierchen heute Abend?
    Übrigens: Ich hab Simone noch klargemacht!
    Wie bitte? Simone »noch klar gemacht«?
    Sofort schaue ich ins Chat-Fenster und sehe, dass Sascha online ist.
    Sascha Hettmann
    Sascha ist online.
    Ich
    Wie … Simone klargemacht?
    Sascha
    Ich hab sie vom Klo geholt, sie ausgezogen und auf die Couch gelegt. Und mit einem Mal ging’s ihr wohl wirklich besser, und wir haben gevögelt.
    Ich
    Nicht dein Ernst, Alter. NACHDEM sie gekotzt hat???
    Sascha
    Ich hab sie nicht geküsst.
    Ich schreibe »Wundervoll«, schicke die Nachricht ab und gehe offline.
    Genau in dem Moment, in dem ich das tue, sehe ich für den Bruchteil einer Sekunde ein mir sehr vertrautes kleines Foto in der Chat-Leiste. Ich gehe sofort wieder online, um mich zu vergewissern. Krass! Das ist Steffi!
    Ich habe keine Ahnung, warum ich sie im Chat sehen kann, sie hat doch ihr Profil für mich gesperrt. Vielleicht kann man ja nicht alles sperren, denke ich, ist ja auch vollkommen egal, ICH KANN SIE ANCHATTEN , mit ihr in Kontakt treten, mich ganz einfach wieder mit vollster Hingabe total und ohne einen Hauch von Stolz oder Selbstachtung vor ihr erniedrigen! Toll!
    Ich klicke auf ihr Bild, und das Chat-Fenster öffnet sich augenblicklich. Jungfräulich und unbeschrieben. Wie ein weißes Blatt Papier, auf das ein Autor seine ersten Zeilen bringen darf. Ich kann quasi völlig neu beginnen! Ich kann mir jetzt ganz einfach irgendetwas Cooles ausdenken und ihr rüberschicken! ICH KANN SIE ANCHATTEN !
    Ich schreibe »Hey« und drücke auf ENTER , und dann wird mir heiß und ich befürchte, dass ich einen Schlaganfall bekomme. Nervös zünde ich mir eine Zigarette an.
    Zehn Sekunden vergehen.
    Nichts passiert.
    Wieder vergehen zehn Sekunden.
    Nichts passiert.
    Nach weiteren zehn Sekunden wird der kleine grüne Kreis, der anzeigt, dass Steffi online ist, plötzlich dunkelgrau. Das heißt, sie ist offline gegangen.
    Sie hat mich einfach ignoriert.
    Ich schaue noch eine Ewigkeit auf diesen beschissenen, abgefuckten, von

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